Entscheidung auf Mallorca
»Alemán?«
Er nickte.
Sie deutete auf das Papier. »Studieren!«
Er warf einen Blick auf den Text. »Das ist Spanisch. Ich kann es nicht verstehen.«
»So tun, als studieren.«
Ich soll so tun, als ob …?
Sie griff in eine Falte ihres Rockes, machte erneut »Sssst!« und schob ihm einen Brillantring zu. Dabei wies sie auf das Los. »So tun, als studieren. Brillante echt.«
Er war sprachlos.
Sie sah ihn verheißungsvoll an. »Brillante echt. Prüfen!«
Ihm wurde unheimlich zumute. Er wollte den Ring zurückgeben.
Sie schob seine Hand fort. »Prüfen! Brillante echt. Oro echt.«
Oro dürfte Gold heißen, dachte er und warf einen Blick auf den Ring. Wenn er Edelsteine auch nicht beurteilen konnte, der Brillant schien ihm mächtig zu funkeln. »Möglich, daß er echt ist«, sagte er. »Aber was soll ich damit?«
Die Zigeunerin wurde lebhaft. »Für Frau. Bueno. Echt. Billig.«
Wulf lachte. »Glaub’ ich gerne. Ich hab’ aber kein Geld.«
Sie sah ihn fragend an.
»Kein Geld! No money!«
»Du Alemán – du Geld. Brillante billig.«
Ein Herr betrat die Passage.
Die Zigeunerin riß den Ring an sich und deutete auf das Los. »Brillante billig«, flüsterte sie, während ihr Finger an einer Zahlenkolonne entlangglitt und bei der Zahl 3000 stehenblieb. »Billig. Brillante echt!«
Dreitausend, überlegte er. Das gibt’s doch gar nicht. Das wären ja nur 300 Mark. In Deutschland dürfte der Stein mindestens 1500 bis 3000 Mark kosten.
Der Herr blickte zu ihnen herüber und verließ die Passage. Wulf wurde die Angelegenheit peinlich. Er wollte gehen.
Die Zigeunerin hielt ihn zurück. »Momente!« Erneut glitt ihr Finger an der Zahlenkolonne entlang. Diesmal zeigte sie auf die Zahl 30.000. »Precio original!«
Das Biest weiß sich zu helfen, dachte er. 30.000 Pesetas, 3000 Mark ist der Ring wert. Wenn ich jetzt Geld hätte, könnte ich ein Bombengeschäft machen.
Sie wies zum zweitenmal auf die Zahl 3000. »Billig. Brillante echt. Nehmen!«
»Ich hab’ doch kein Geld.«
»Du Alemán – du Geld.«
»Nein«, erwiderte er beinahe wütend.
Sie sah ihn flehend an und drückte ihm den Ring erneut in die Hand. »Bitte, kaufen. Ich Not.«
»Ich hab’ wirklich kein Geld! Wenn ich es hätte …« Er unterbrach sich. Wozu reden? Sie versteht mich ja doch nicht. Ich bin es auch leid. Wer weiß, was mit dem Ring los ist.
Die Zigeunerin schien zu erfassen, was er dachte. Sie zeigte auf die Zahl 2000. »Ich Not. Bitte, kaufen.«
Wulf Wesener war verblüfft. Sie will nur noch zweitausend Pesetas? Da stimmte etwas nicht. Er schüttelte den Kopf. »Dann ist der Brillant nicht echt.«
Die Spanierin glich einer lodernden Flamme. »Brillante echt«, sagte sie erregt, nahm den Ring und fuhr mit dem Stein über das Spiegelglas eines Schaufensters der Passage.
Ratsch, machte es, und in der Scheibe war ein heller Streifen.
»Brillante echt!« wiederholte sie aufgebracht. »Und Oro …« Sie nahm den Ring zwischen die Zähne und biß darauf, daß ihr die Stirnadern schwollen. Dann reichte sie den Ring zurück und wies auf zwei Vertiefungen im Gold. »Oro echt. Brillante echt.«
Er konnte nur noch staunen.
Die Zigeunerin trat so nahe an ihn heran, daß er ihren Atem spürte. Ihre Augen blickten gehetzt. »Ich Not. Mein Mann …«
Mit der Hand vollführte sie eine vielsagende Bewegung.
Aha, dachte Wulf. Der Ring ist geklaut.
»Alemán«, fuhr sie mit flehender Stimme fort. »Verstehen. Ich Not. Policía. Wohin? Kein Geld. Bitte, kaufen.«
Zum Teufel, fluchte Wulf insgeheim, das ist eine einmalige Chance. Gestohlen ist der Ring so oder so. Und irgend jemand wird ihn nehmen. Hätte ich doch nicht die Fahrkarte nach Mallorca gekauft. An dem Ring ließe sich verdienen, was Miriam für ihre Ausstellung benötigt.
Die Zigeunerin berührte seine Hand. Sie machte ein verzweifeltes Gesicht. »Bitte, kaufen.«
»Ich hab’ das Geld wirklich nicht«, erwiderte er. »Leider!«
»Cómo?«
»Kein Geld! No money!« Er machte eine bedauernde Geste.
»Wieviel?«
Die muß verdammt in Druck sein, dachte er und überlegte blitzschnell, was er im äußersten Fall geben könnte. Wenn ich nur eine Nacht auf Mallorca bleibe, hätte ich 1500 Pesetas übrig. Für 150 Mark wäre der Ring geschenkt. Er hielt ihr das Los hin und zeigte auf die Zahl 1500. »Mehr hab’ ich nicht.«
»Gut. Geben!«
Wulf war beinahe erschrocken. »Für fünfzehnhundert!«
Sie hob ihre Schultern. Es sah aus, als wollte sie sagen: Was soll ich
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