Entscheidung auf Mallorca
machen?
Seine Hände zitterten, als er die Brieftasche zog und 1500 Pesetas abzählte.
Die Zigeunerin riß ihm die Scheine förmlich aus der Hand, steckte sie in die Falte ihres Rockes und eilte mit katzenartigen Bewegungen davon.
Ihm wurde es unheimlich zumute. Das Herz klopfte ihm in der Kehle. Seine Hände waren naß. Er trat auf die Straße.
Vor ihm stand der Herr, der zuvor in die Passage geschaut hatte.
Aus, dachte er. Ich bin in eine Falle geraten. Er wollte schon davonlaufen, als er sah, daß sich der Herr umdrehte und weiterging.
Panische Angst erfaßte ihn und trieb ihn durch die Straßen. Ich muß wahnsinnig gewesen sein, haderte er mit sich. Gewiß, er hatte Miriam helfen wollen, war darum aber doch zum Hehler geworden. Er mußte heraus aus dieser Stadt.
2
Wulf Wesener hätte sich ohrfeigen mögen. Er sehnte die Stunde herbei, in der er den Ort verlassen konnte, auf den er sich wie ein Kind gefreut hatte.
Als er wie gehetzt in das Hotel zurückgekehrt war, ließ er sich als erstes die Rechnung geben. Er wußte, daß noch Stunden verstreichen mußten, bis er das Schiff nach Mallorca besteigen konnte, wollte aber alles tun, um jederzeit unauffällig verschwinden zu können.
Die Hotelrechnung betrug nicht 750 Pesetas, wie er geglaubt hatte, sondern 820. Irgendwelche Steuermarken waren hinzugekommen.
Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte er aufgebracht, zahlte den Betrag und wollte eben auf sein Zimmer gehen, als er den Herrn, der in der Passage erschienen war, in der Empfangshalle sitzen sah.
Er glaubte, das Herz bliebe ihm stehen. Wurde er verfolgt, oder war es Zufall? Sein schlechtes Gewissen ließ ihn das Schlimmste befürchten. Eilig betrat er den Fahrstuhl und ließ sich in die fünfte Etage fahren.
In seinem Zimmer angekommen, versuchte er sich zu beruhigen. Du bist ein Idiot, sagte er sich. Wer soll schon hinter dir her sein? Zugegeben, du hast auf der Straße einen Ring gekauft. Aber warum nicht? Der Ring wurde dir angeboten, du hast ihn genommen und bezahlt. Aus. Denk lieber daran, daß du ein großartiges Geschäft gemacht hast. Tausend Mark werden zumindest dabei herausspringen. Miriam wird Augen machen!
Nach einer Stunde hatte er sein Gleichgewicht zurückgewonnen, war er wieder der ein wenig leichtfertige, aber stets selbstsichere stud. rer. pol. Wulf Wesener.
Dennoch blieb eine gewisse Nervosität in ihm, die ihn schließlich trieb, das Zimmermädchen um Nadel und Faden zu bitten. Er wollte den Ring verschwinden lassen und wünschte dies um so mehr, als man ihm im Reisebüro gesagt hatte, daß Mallorca eine Art Freihandelszone sei, er also mit einer Zollkontrolle rechnen mußte. Aber auch so bestand Grund genug, den Brillantring gut zu verstecken, und er atmete erleichtert auf, als er ihn im Aufschlag seiner Hose eingenäht hatte. Er fand jedoch nicht den Mut, das ihm im Hotel noch zustehende Abendessen im Speisesaal einzunehmen. Dabei betrug seine Barschaft nur noch 90 Pesetas.
Es war verrückt, damit nach Mallorca zu fahren. Wulf wußte dies, aber was hätte er jetzt anderes tun sollen? Das einzig Positive, vom Besitz des Ringes einmal abgesehen, war der Gedanke: Ich bin dann wenigstens auf Mallorca gewesen und kann mitreden.
Zwei Stunden später dachte er anders. Das Schiff hatte abgelegt; es war eine milde Nacht, und es roch nach Tang und See. Am Horizont versank das Lichtermeer Barcelonas, und Wulf wäre restlos glücklich gewesen, wenn er nicht einen unbändigen Hunger verspürt hätte, der sich noch steigerte, als er einen Blick in den hellerleuchteten Speisesaal des Dampfers warf.
Er kam sich wie ausgesperrt vor und machte sich heftige Vorwürfe. Ich bin ein Idiot, sagte er sich. Kaum habe ich etwas Geld in der Tasche, da gebe ich es aus. Gut, ich wollte Miriam helfen, aber nun sitz’ ich fest. Nicht einmal ein Abendessen kann ich mir leisten. Und morgen muß ich schon wieder zurückfahren. Dabei besitze ich einen Wert, um den mich mancher, der da im Speisesaal mit Freuden tafelt, beneiden würde.
Es dauerte nicht lange, bis er dachte: Geh hin und verkauf den Ring. Wer weiß, was mit ihm los ist. Auf Mallorca wird’s genügend Deutsche geben, die über Geld verfügen.
Sein Entschluß stand plötzlich fest: er wollte etwas essen! Und wenn er die letzte Peseta auf den Kopf hauen mußte. Kommt Zeit, kommt Rat.
Kurz entschlossen betrat er den Speisesaal, natürlich den der 1. Klasse. Das Dinner kostete 45, die Flasche Rotwein 20 Pesetas. Was soll’s,
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