Entscheidung aus Liebe
Äußerung nur der Verwirrung des Augenblicks entsprungen war.
Doch heute verstand er endlich, was Charles in diesem Moment gefühlt hatte. Die Verzweiflung, das Gefühl der inneren Leere, die Angst, in der Falle zu sitzen.
Am meisten besorgte ihn, dass er in letzter Zeit immer öfter wie der Duke handelte, nicht wie er selbst, Jareth. Hatte er nicht in voller Übereinstimmung mit seiner Mutter Dr. Esterhaus darum gebeten, die Kinder zu untersuchen und zu beurteilen, ob Miss Pesserats Entlassung möglich war?
Er verstand nur zu gut, was seine Mutter im Sinn hatte. Sie war eine hochmütige Frau und fand Chloes offene, direkte Art
zu anmaßend für eine Gouvernante. Für sie zählten nur Titel und Vermögen, wenn sie einen anderen Menschen beurteilte. Alles dreht sich um diesen verdammten Titel, dachte Jareth.
Hier an diesem Ufer hatte ein Duke vor Verzweiflung über diesen Titel und alles, was damit verbunden war, geweint. Nun folgte ein weiterer Duke seinem Beispiel, da er endlich wusste, was sein Bruder vor all diesen Jahren in seinem Herzen gefühlt hatte.
Jareth stellte fest, dass er diese Verantwortung nicht nur seiner Mutter zuliebe übernommen hatte. Ihre Meinung war ihm gleichgültig.
Nein, er hatte es für Charles getan. Für alles, was sein geliebter Bruder geopfert hatte, für alles, was man ihm in seiner Kindheit verboten hatte. Ja, und wegen seiner eigenen Schuldgefühle. Während Jareth herangewachsen war, hatte ihn oft das schlechte Gewissen geplagt, weil er viel mehr Freiheiten besaß als sein älterer Bruder. Vielleicht hatte er es insgeheim sogar für seine gerechte Strafe gehalten. Er folgte Charles' Fußspuren und musste den gleichen Schmerz ertragen, den auch sein Bruder hingenommen hatte.
Diese Erkenntnis brachte ihm zwar nicht den ersehnten Frieden, aber endlich etwas Klarheit. Die Verwirrung legte sich, und er wusste endlich, an was er selbst glaubte. Er, Jareth Hunt, ein Mann, der nicht länger für die Welt existierte, aber dennoch in seinem Inneren weiterlebte. Nicht der Duke, sondern er selbst.
Jareth Hunt.
Er atmete tief ein und blickte auf den See hinaus. Dieser Ort war mit so vielen Erinnerung verbunden, sowohl guten als auch schlechten. Plötzlich musste er lächeln, und er fand doch noch den Frieden, den er sich so sehnlich gewünscht hatte. Ihm war bewusst geworden, dass er etwas tun musste.
Er musste sich bei jemandem entschuldigen.
15. KAPITEL
Als Chloe eine Nachricht Jareths erhielt, mit der Bitte, ihn im Salon zu treffen, erwartete sie natürlich das Schlimmste. Mit schwerem Herzen frisierte sie ihr Haar zu einem ordentlichen Knoten, doch ihre Mühe war vergebens. Schon nach wenigen Momenten lösten sich einige Strähnen und lockten sich verführerisch um ihr Gesicht, auch wenn sie dies nicht so wahrnahm. Sie seufzte. Zu diesem ernsten Anlass hätte sie gerne etwas strenger gewirkt, aber ihre widerspenstige Mähne war einfach nicht zu bändigen.
Zweifellos würde der Duke sie heute dazu auffordern, Strathmere zu verlassen.
Ihre Augen wirkten groß und traurig, als sie ihr Spiegelbild anblickte, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Zum Glück sah man ihr die ängstliche Nervosität nicht an, die sie verspürte. Als Bette eintraf, um auf die Kinder aufzupassen, atmete Chloe noch einmal tief durch und verließ das Spielzimmer.
Zu ihrer Überraschung hatte man den Tisch im Salon mit einem silbernen Teeservice gedeckt. Der Duke stand an einem der Fenster und sah in den Garten hinaus. Offenbar hatte er sie nicht eintreten gehört. Seine Haltung war steif und förmlich, wie sie vermutet hatte. Dennoch glänzte die Sonne auf seinen kastanienbraunen Locken und verlieh ihm ein jungenhaftes Aussehen. Chloe verdrängte den Schmerz, der bei seinem Anblick Besitz von ihrem Herzen ergriff.
„Sie wünschten mich zu sehen, Euer Gnaden?"
Als er sich umdrehte, lächelte er sie erstaunlicherweise an. „Bitte, setzen Sie sich", sagte er freundlich.
„Danke." Sie nahm am Tisch Platz.
Der Duke setzte sich ihr gegenüber. „Dürfte ich Ihnen einen Tee oder Kaffee anbieten?"
„Nichts, danke."
Er verstummte und sah sie auf eine äußerst merkwürdige Art an. Auf einmal konnte Chloe die Spannung nicht länger ertragen. „Ich weiß, was Sie mir mitteilen wollen", platzte es aus ihr heraus. „Und ich möchte, dass Sie wissen, wie niederträchtig ich Ihr Handeln finde."
Er hob die Brauen. „Tatsächlich?"
„Oui. Alles, was ich bisher zu Ihnen sagte, habe ich auch so gemeint.
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