Entscheidung aus Liebe
Ich bedaure kein Wort davon, auch wenn es der Grund ist, warum Sie mich entlassen. Auch ich habe meinen Stolz, Monsieur, und ich werde ihn gewiss nicht Ihnen zuliebe aufgeben."
Wieder musterte er sie eindringlich. „Ja, Ihren Stolz hatte ich bereits bemerkt", sagte er langsam.
„Ich finde, dass sich ein Mensch allein durch seine Taten auszeichnet, und obwohl ich mich niemals als vollkommen bezeichnen würde, zähle ich Ehrlichkeit zu den Eigenschaften, auf die ich am meisten stolz bin. Ich werde mich von niemandem durch hohe Titel oder Ämter einschüchtern lassen, und wenn Ihre geordnete, perfekte Welt die Wahrheit nicht ertragen kann, dann bedaure ich Sie und Ihre Mutter sehr. Sie beide sind hochmütige, heuchlerische Snobs, die keine Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen nehmen."
„Ich stimme Ihnen zu."
„Und wenn Sie tatsächlich beabsichtigen, mich von den Kindern zu trennen - allein die Möglichkeit erfüllt mich mit Schrecken -, so bin ich mir durchaus der Tatsache bewusst, dass ich nichts dagegen tun kann ... Was haben Sie gesagt?"
Zu ihrem Erstaunen versuchte er, sein Lachen zu unterdrücken. Ihre Verwirrung wuchs noch mehr.
„Ich sagte, dass ich Ihnen zustimme", erklärte er. „Was Ihre Ehrlichkeit betrifft. Vielen Menschen - mich eingeschlossen - fällt es manchmal schwer, damit umzugehen. Ja, die Wahrheit ist ein zweischneidiges Schwert. Manchmal ist es zu schmerzlich, sie zu ertragen, bis wir mit den Lügen beginnen und nach einer Weile feststellen, dass ein verlogenes Leben einen erst wirklich leiden lässt."
Sie öffnete leicht den Mund und starrte ihn wortlos an.
„Wer hätte das für möglich gehalten?" fragte er leise. „Ich habe Chloe Pesserat sprachlos gemacht."
Chloe schloss den Mund. „Ich verstehe nicht, was Sie meinen."
„Das kommt daher, dass ich noch keine Gelegenheit hatte,
mehr als ein paar Worte zu äußern. Sonst hätte ich es Ihnen gerne erklärt."
Sie errötete. „Es tut mir Leid."
Er nickte und wandte nachdenklich den Blick ab. „Chloe, dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?"
„Ja, natürlich."
Auf einmal schien er seine Meinung zu ändern. „Nein, lassen Sie es mich auf eine andere Art ausdrücken. Es wird Sie überraschen, dass ich Sie stets bewundert habe, auch wenn wir nicht der gleichen Meinung waren. Ich glaube, dass dies die wahre Bedeutung von Freundschaft ist. Man muss nicht immer dasselbe denken, aber man denkt trotzdem über die Ansicht des Freundes nach, weil man ihn respektiert. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?"
„Ich glaube schon." Trotz ihrer Worte fand sie seine Aussage äußerst verwirrend. „Mit meinem Bruder war es anders. Obwohl wir einander von Herzen liebten, war es typisch für uns, ständig zu streiten. Ich glaube nicht, dass er jemals meine Entscheidung verstanden hat, ein Leben ohne die Familie zu führen." Er beugte den Kopf und senkte die Stimme, als ob ihm seine folgenden Worte schwer fielen. „Ich muss zugeben, dass ich Sie als eine ... Freundin ansehe, Chloe. Ich lege großen Wert auf Ihre Meinung, obwohl ich Ihnen nicht immer zustimmen kann. Außerdem wünschte ich, ich hätte Ihre ..." Er räusperte sich kurz. „... Ihren guten Willen."
Sie war so gerührt, dass ihr die Stimme im ersten Moment den Dienst versagte. Schließlich sagte sie leise: „Den besitzen Sie bereits."
„Ah, wo ist denn Ihre berühmte Ehrlichkeit geblieben? Waren Sie nicht eben noch dabei, mich als einen dummen, eitlen Idioten zu bezeichnen, den Sie verabscheuen?" fragte er lächelnd.
„Ich ... ich meinte nicht, dass Sie dumm sind", stammelte sie verwirrt. „Ich war nur nicht mit Ihren Handlungen einverstanden. Sie sahen Ihnen gar nicht ähnlich, ich meine, nicht dem Mann, der Sie wirklich sind. Gelegentlich haben Sie mir erlaubt, auch diese Seite von Ihnen zu sehen. Ich weiß, dass Sie ein mitfühlender Mensch sind und sich darum bemühen, das Richtige zu tun."
Er erhob sich und blickte wieder aus dem Fenster.
„Ja, das ist wahr. Es ist nur manchmal schwer, zu entscheiden, was das Richtige ist." Auch sie stand auf und trat zu ihm. „Aber Sie wissen in Ihrem Herzen, was richtig und falsch ist, nicht wahr?"
Er drehte den Kopf, um sie über seine Schulter hinweg anzulächeln. „Ich könnte wetten, dass Sie schon oft bezweifelt haben, ob ich dieses Organ überhaupt besitze."
„Ja, aber Sie haben auch wenig dazu getan, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Dennoch glaube ich, Sie wollten stets nur Ihre Pflicht
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