Entscheidung in Cornwall
damit fertig zu werden, und auch, sich dagegen zu schützen.
Ihre frühere Liebe zu Brian mochte naiv gewesen sein, aber sie hatte ihn mit Haut und Haar geliebt. Als er sie verließ, hatte sie geglaubt, nur noch ein halber Mensch zu sein und es für immer bleiben zu müssen. Fünf Jahre lang hatte sie sich gegen alle Männer verschanzt, sie konnten ihre Freunde sein – aber keiner war ihr Geliebter gewesen. Die Wunden waren geheilt, doch die Erinnerung hatte sie immer wieder ermahnt, vorsichtig zu sein. Sie hatte sich selbst geschworen, dass nie wieder ein Mann sie so verletzen sollte wie Brian Carstairs. Und jetzt stellte sie fest, dass dieser Schwur noch immer galt. Er war der einzige Mann, der die Macht hatte, ihr wehzutun. Diese Erkenntnis war beglückend und erschreckend zugleich.
Kein Zweifel, dass er sie körperlich geweckt hatte. Ihre Ängste waren von den hochgehenden Fluten der Liebe fortgespült worden. Ramona hatte gefunden, dass sie sich Brian hier rückhaltlos geben konnte. Dass sie so erregend auf ihn wirkte, stärkte sie in ihrem wachsenden Selbstbewusstsein als Frau. Sie lernte, dass ihre Leidenschaft ebenso stark war wie die seine. Sie hatte sie viel zu lange unterdrückt. Konnte Brian mit einem einzigen Blick ihr Blut erhitzen, so war er, wie sie erkannte, nicht weniger empfänglich. Wenn er mit ihr schlief, konnte man von kühler britischer Zurückhaltung nichts merken. Dann war er ganz stürmischer und leidenschaftlicher Ire.
Eines Morgens weckte er sie kurz nach Tagesanbruch, indem er ihr Rosenknospen auf das Bett streute. Am nächsten Abend überraschte er sie mit eisgekühltem Champagner, als sie in der altmodischen Badewanne lag. Nachts konnte er rücksichtslos in seinem Verlangen sein, sie wecken und mit einem fast verzweifelten Begehren nehmen, das ihr keine Zeit ließ, überrascht zu sein, zu protestieren oder überhaupt irgendwie zu reagieren. Manchmal schien er geradezu rasend glücklich, und dann wieder ertappte sie ihn dabei, dass er sie merkwürdig forschend betrachtete.
Ramona liebte ihn, doch sie brachte es noch nicht fertig, ihm voll zu vertrauen. Sie wussten es beide, und sie vermieden es beinahe ängstlich, daran zu rühren.
Neben Brian auf dem Klavierschemel sitzend, experimentierte Ramona mit den Anfangsakkorden eines Duetts. »Ich wäre für eine Moll-Tonart.« Sie blickte nachdenklich auf ihre Hände hinunter. »Viele Streicher, eine große Besetzung aus Celli und Geigen.« Sie spielte weiter und hörte weniger das Klavier als das endgültige Orchesterarrangement. »Was meinst du dazu?«, wandte sie sich an Brian.
»Spiel mal das Ganze«, sagte er und zog an seiner Zigarette.
Sie begann zu spielen, doch er unterbrach sie schon nach ein paar Takten. »Nein, dieser Teil passt nicht rein.«
»Aber der stammt doch von dir«, erinnerte sie ihn lachend.
»Ein Genie ist verpflichtet, sich zu korrigieren, wenn es sich geirrt hat«, erwiderte er, und Ramona grinste ganz undamenhaft. »Hast du einen besseren Vorschlag?«, fragte er.
»Ich? Oh nein, ich würde nie wagen, einem Genie hineinzureden.«
»Das ist sehr weise von dir«, lobte er und begann selbst am Klavier herumzuprobieren. »Wie findest du das?«
Er spielte die Melodie von Anfang an und änderte nur ein paar Noten an der von ihm beanstandeten Stelle.
»Hast du was geändert?«, fragte sie.
»Mir ist klar, dass dein unvollkommenes Ohr solche Feinheiten nicht bemerkt«, antwortete er, und sie gab ihm einen heftigen Rippenstoß. »Gute Reaktion«, murmelte er und rieb sich die schmerzende Stelle. »Versuchen wir’s noch einmal?«
»Es gefällt mir, wenn du den Würdevollen spielst, Brian.«
»Tatsächlich?« Er zog fragend die Brauen hoch. »Wo bin ich stehen geblieben?«
»Du wolltest eben den ersten Satz von Tschaikowskys zweiter Symphonie spielen.«
»Aha.« Brian wandte sich wieder den Tasten zu.
Er spielte den schwierigen Satz so brillant, dass Ramona nur den Kopf schütteln konnte.
»Das ist reine Show«, sagte sie abfällig, nachdem er schwungvoll geendet hatte.
»Du bist ja nur neidisch.«
Seufzend hob sie die Schultern. »Unglücklicherweise hast du recht.«
Brian lachte und legte den Handteller an den ihren. »Ich habe den Vorteil der größeren Hand und kann daher besser greifen.«
Ramona betrachtete ihre kleine, feinknochige Hand. »Nur gut, dass ich nicht Konzertpianistin werden wollte.«
»Du hast wunderschöne Hände«, sagte Brian und zog mit einer seiner unerwarteten romantischen
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