Entscheidung in Cornwall
Kindheit und frühesten Jugend empfunden hatte. Dass sie ihn auch jetzt noch fühlte, überraschte sie.
Energisch erinnerte sie sich daran, dass sie fünfundzwanzig und kein Kind mehr war.
Die Hausarbeit lenkte sie ab und beruhigte sie. Sie belud das Tablett und trug es durch die Halle. Vor der Tür des Musikzimmers hörte sie Brian jedoch noch sprechen und zögerte, weil sie ihn nicht stören wollte. Jedoch war das Tablett so schwer, dass das den Ausschlag gab.
Als sie eintrat, saß er lässig in einem tiefen Sessel am Feuer. Sie setzte das Tablett auf einem Tischchen ab, das neben ihm stand, und er streckte die Hand nach ihr aus.
»Bestimmt, Mutter«, sagte er gerade. »Nächsten Monat vielleicht. Grüß alle von mir.« Er unterbrach sich und musterte Ramona von Kopf bis Fuß. »Sie hat große graue Augen … sie sind so grau wie die Taube, die Shawn im Taubenschlag auf dem Dach hält. Ja, ich sag’s ihr. Auf Wiedersehen, Mutter. Ich liebe dich.« Brian legte auf und betrachtete anerkennend das Tablett. »Du warst fleißig, mein Schatz«, sagte er.
Sie kauerte sich neben das niedrige Tischchen und schenkte Tee in die Tassen. »Ich merkte plötzlich, dass ich am Verhungern war.« Mit dem üblichen Kopfschütteln sah sie ihm zu, wie er Milch in seinen Tee tat. Mit dieser englischen Sitte würde sie sich nie anfreunden können. Sie trank ihren Tee ohne jeden Zusatz.
»Meine Mutter hat mich gebeten, dir zu sagen, dass du eine sehr hübsche Telefonstimme hast.« Brian nahm einen Toast und biss hinein.
»Du hättest ihr nicht gerade zu erzählen brauchen, dass du mich geküsst hast«, entgegnete Ramona verlegen. Er lachte, und sie funkelte ihn böse an.
»Mutter weiß, dass es zu meinen Gewohnheiten gehört, Frauen zu küssen«, erklärte er ihr ernsthaft. »Wahrscheinlich weiß sie auch, dass ich gelegentlich mehr getan habe, aber wir haben über diesen besonderen Bereich meines Lebens schon seit längerer Zeit nicht mehr gesprochen.« Er biss noch einmal ab und betrachtete nachdenklich Ramonas Gesicht. »Sie möchte dich kennenlernen. Wenn wir mit dem Musical weiterhin so gut vorankommen, könnten wir nächsten Monat nach London fahren.«
»Ich bin nicht an Familien gewöhnt, Brian«, wandte Ramona ein und griff nach ihrer Tasse.
Er legte jedoch die Hand auf die ihre und wartete, bis sie wieder zu ihm aufblickte. »Mit meinen Leuten kann man sehr gut auskommen, Ramona«, sagte er. »Sie sind wichtig für mich. Du bist wichtig für mich. Ich möchte, dass sie dich kennenlernen.«
Sie fühlte eine fast unerträgliche innere Spannung und senkte den Blick.
»Ramona!« Brian seufzte gereizt auf. »Wann wirst du endlich mit mir reden?«
Sie konnte nicht so tun, als verstehe sie ihn nicht. So konnte Ramona nur den Kopf schütteln und dem Thema noch eine Zeit lang ausweichen. Der Augenblick, in dem sie nach Kalifornien zurückkehren und sich der Wirklichkeit stellen mussten, kam noch früh genug.
»Bitte erzähl mir etwas über deine Familie. Es könnte mir helfen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich ihnen allen gegenübertreten muss. Ich möchte gern mehr wissen, als ich in den Klatschspalten gelesen habe.« Ramona lächelte. Ihre Augen flehten ihn an, das Lächeln zu erwidern und keine bohrenden Fragen zu stellen. Noch nicht.
Brian musste gegen das Gefühl der Enttäuschung ankämpfen, das ihn überkam, doch er gab nach. Er konnte ihr noch ein bisschen Zeit lassen.
»Ich bin der Älteste von fünf Geschwistern.« Er zeigte auf das Kaminsims, auf dem die Fotos standen. »Der vornehm Aussehende mit der hübschen blonden Frau ist Michael. Er ist Anwalt.« Lächelnd erinnerte sich Brian daran, wie groß seine Freude darüber gewesen war, dass er seinen Bruder auf eine gute Universität schicken konnte. »Er war der erste Carstairs, der studierte. Als Junge war er überhaupt nicht vornehm«, fügte Brian hinzu. »Er war ein schrecklicher Raufbold und schlug allen anderen Jungen die Nasen blutig.«
»Das klingt nach einem guten Anwalt«, stellte Ramona trocken fest. »Weiter bitte.«
»Die Nächste ist Alison. Sie hat als Beste ihres Jahrgangs in Oxford ihr Examen abgelegt.« Er beobachtete, wie Ramona das Foto mit der zierlichen Blondine erstaunt betrachtete, und fügte hinzu: »Sie hat einen erstaunlichen Verstand und macht etwas mir völlig Unverständliches mit Computern. Außerdem hat sie eine besondere Vorliebe für raue Rugby-Spiele. Ihren Mann lernte sie auf dem Sportplatz
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