Entsetzliches Gleichmaß
persönliche Prestige ausgefochten wurde und man Rivalen schwere Schlappen zufügen oder seine politische Agenda propagieren konnte. Mehr Intrigen gab es nicht einmal in der Oper.
Nein, korrigierte sie sich, es hatte eher etwas von einem Tanz. Die Tänzer bewegten sich mit sorgsam berechneter Präzision durch den Saal und suchten nach Gelegenheiten, die anderen Tänzer mit gezielten Manövern zu Fehltritten zu verleiten.
Um Beherrschung bemüht folgte Iliana ihren Eltern durch die Galerie und wartete geduldig, wann immer Tekeny anhielt, um jemandes Gratulation entgegenzunehmen. Kannte sie einen Gratulanten, sagte auch sie ein, zwei höfliche Worte. Wann immer ihr jemand vorgestellt wurde, ertrug sie die hohlen, floskelhaften Komplimente mit einem Lächeln, das ihr wie ins Gesicht zementiert war.
Schon nach wenigen Minuten war ihr, als müsse sie sich vor Ekel übergeben.
»Da wären sie«, hörte sie Tekeny leise sagen. Iliana folgte seinem Blick und fand eine Gruppe hochrangiger Offiziere, die in der Mitte des Raums im Kreis standen. Sie schienen in eine hitzige Debatte vertieft.
»Dukat ist da, oder?«, fragte ihre Mutter und lächelte jemandem zu.
»Bedauerlicherweise«, antwortete Tekeny und nickte jemand anderem zu.
»Wundervoll«, raunte Kaleen durch zusammengebissene Zähne. »Du weißt hoffentlich noch, was ich dir gesagt habe?«
»Ich kann mit Dukat umgehen, Kaleen.«
»Das hoffe ich.«
Sie passierten einen länglichen Glaskasten, in dem sich die mumifizierten Überreste eines prähebitianischen Kriegsfürsten befanden. Iliana wollte ihre Eltern gerade nach diesem Dukat fragen, da erspähte Kaleen einige Arbeitskollegen aus der Judikative, die an einer der marmornen Säulen standen. Die wissenden, subtilen Blicke, die sie mit ihrer Mutter wechselten, entgingen Iliana genauso wenig wie, dass Kaleen ihrem Vater daraufhin etwas ins Ohr flüsterte. Tekeny nickte, dann hielten sie sich kurz an den Handflächen. Kaleen wandte sich um. »Behalt deinen Vater im Auge, Iliana«, ermahnte sie Iliana. »Pass auf, dass er sich nicht in Schwierigkeiten bringt.«
»Nun geh schon«, sagte Tekeny. »Wir kommen zurecht.«
Kaleen strich Iliana über den Arm und sah ihr tief in die Augen. »Versuch, dich zu amüsieren, ja? Und gib acht.«
Iliana nickte. »Du auch.«
Kaleen sah sie noch einen Moment lang an, dann wandte sie sich um und ging ihren eigenen sozialen Pflichten nach. Iliana folgte ergeben ihrem Vater und tat es ihr gleich.
»… und wir dürfen nicht vergessen, was auf dem Spiel steht«, sagte Gul Trepar. Die Gesichtshaut des Commanders vierten Grades wirkte so dünn und rissig, als wolle der Schädel gleich aus ihr herausbrechen. »Die Bajoraner werden von ihrer perversen Religion angetrieben, und ihre Kultur des Terrors wurde schon viel zu lange toleriert. Nicht auszudenken, was geschähe, würde sie sich auf weitere annektierte Welten ausbreiten. Nein, die Krankheit namens Bajor muss besiegt werden – sofort und endgültig.« Trepars linkes Auge zuckte, wenn er sprach. Iliana vermutete, er wolle sich im Gesicht kratzen, unterdrücke den Drang aber. Der Gedanke raubte ihr den Appetit. Dabei wirkten die Häppchen auf dem Tablett, das inmitten der Gruppe ihres Vaters stand, durchaus lecker.
»Ich stimme zu«, rief Gul Dukat. »Gewalt kann man nicht mit Toleranz begegnen.« Er sprach langsam und gedehnt. Er glaubte wohl, dadurch würden seine Sätze interessanter. Iliana hatte sofort begriffen, warum ihre Mutter ihn nicht mochte. Dukat war von einer Aura des Narzissmus umgeben, die seine Aussagen so unerträglich machten wie den Anblick von Trepars Gesicht. »Aber ich glaube, wir erreichen unsere Ziele auf Bajor durch subtilere Methoden besser. Wir müssen uns um die Bajoraner kümmern, die in einer Position sind, das Volk zu beeinflussen. Wir müssen jene belohnen, die unsere Übernahme befürworten und öffentlich von cardassianischer Großherzigkeit reden. Außenwahrnehmung ist alles!«
»Sehe ich genauso«, stimmte Gul Pirak zu, einer der Würdenträger des Abends. Mit seinen weichen Zügen wirkte er in der Menge aus stählernen Mienen fehl am Platz. Er glich eher einem Bürokraten als einem Soldaten, fand Iliana. »Ihr waches Auge verdient Lob, Dukat. Wir haben schon viel zu viel Zeit und Energie darauf vergeudet, Bajor zu brechen. Stattdessen sollten wir Wege suchen, Bajor umzuformen. Wir müssen die Botschaft ändern, die wir verbreiten. Den Bajoranern zeigen, dass es bei der Übernahme nicht
Weitere Kostenlose Bücher