Entsorgt: Thriller (German Edition)
hatte Er eine Kreatur gesandt, sie zu holen, nach unten, weg von Ihm, unerlöst, auf ewig verbannt.
Die Fremdartigkeit des Dings verschlug ihr die Sprache. Es gab keinen Namen dafür. Es hatte fünf »Arme«, die es als Beine benutzte. Es bestand aus Abfällen, Tierteilen und Exkrementen. Sein Körper war lang und fett und hinterließ eine feuchte Kotspur auf dem Teppich. Eine Spinne mit zu langem Leib und zu wenig Beinen. Mit seinen grotesken Gliedmaßen richtete es das, was sein Vorderende zu sein schien, erst in die eine und dann in die andere Richtung aus – ihre. Seine Augen bestanden aus Scherengriffen. Seine Zähne aus einem Dutzend Stricknadeln. Sie klapperten, als die Kreatur sie sah. Das Ding schleppte sich ins Schlafzimmer.
Das Ding war in seiner völligen Unwirklichkeit beinahe komisch. Es konnte einfach nicht real sein. Ihre Schmerzen hatten sie auf eine andere Bewusstseinsebene katapultiert und die sogenannte Realität damit für sie in eine Art Burleske verwandelt.
Wir präsentieren Ihnen die riesige Kackspinne mit ihren verkrüppelten Armen und ihren Zirkus-Zähnen. Klacke-diklack machen die klappernden Zähne der Spinne. Schnipp, schnapp machen ihre Scherengriffaugen.
Das Ding, kaum höher als ein kleiner Terrier, kam näher, und Mavis sah gebannt zu. Ein Kichern verkniff sie sich lediglich aus Furcht vor stärkeren Schmerzen.
Die Kackspinne krabbelte immer näher heran und klimperte und klapperte dabei ohne Unterlass mit den Augen und ihren verkümmerten Kiefern. Die komische Zirkusnummer fand ein abruptes Ende, als Letztere sich mit der unerwarteten Kraft eines Fangeisens in ihr Fleisch schlugen und die Hälfte ihres linken Fußes verschlangen. Schmerzen, die ihre Migräne übertrafen, hatte sie bisher nicht gekannt. Der Schrei, der in ihren Lungenflügeln wie ein Schauspieler auf seinen Einsatz gewartet hatte, bekam seinen Auftritt.
Die Kackspinne war hungrig.
Sie biss und schlang, ohne zu kauen.
Voller Grauen sah Mavis zu. Stechender Müllgeruch füllte ihre Nüstern, bis er brannte wie Ammoniak.
Ihre Füße waren verschwunden.
Mavis Ahern erlaubte ihrer Blase, sich zu entleeren.
Sie dachte an ihre Rosen. Daran, wie aus Dreck und Schmutz Gutes erwuchs. Wie falsch sie damit doch gelegen hatte. Wie schrecklich falsch.
18
Er war nicht begeistert von ihrer Entscheidung, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Da ihnen die Zeit davonlief, willigte er ein.
Der Parkplatz der Universität von Shreve war zu höchstens einem Viertel besetzt. Es war Samstag, ein Tag, an dem hauptsächlich Kurse für Erwachsenenbildung und Veranstaltungen weniger akademischen Charakters stattfanden. Kev hielt direkt vor dem Haupteingang und ließ Jenny aussteigen. Als ihr auffiel, dass er keine Anstalten machte, den Wagen zu verlassen, ging sie um diesen herum zur Fahrerseite. Er ließ das Fenster hinunter.
Aus sämtlichen Himmelsrichtungen ertönte der Klang von Polizeisirenen. An verschiedenen Punkten des Horizonts stieg Rauch auf. Ob die Menschen es begriffen oder nicht, das tägliche Leben in Shreve stand kurz vor dem Stillstand. Auf der Freitreppe des Uni-Hauptgebäudes standen Gruppen stirnrunzelnder Studenten, ahnungslos, was da vor sich ging.
»Kommst du nicht mit rein?«, fragte sie.
»Doch. Aber noch nicht jetzt.«
»Du fährst sie holen, stimmt’s?«
Er blickte zur Seite.
»Ich kann sie nicht einfach dort lassen, mit diesen Dingern. Ich kann sie nicht einfach sterben lassen, Jenny. Das würde ich mir niemals verzeihen. Vertrau mir, Süße. Ich liebe dich, aber ich muss das tun. Ich habe keine Wahl.«
»Kev, bitte … ich weiß, sie ist deine Frau … ich weiß, dass du sie vielleicht immer noch liebst, aber …«
»Jen, so ist das nicht. Es ist nur …«
»Was ich damit sagen will, ist: Sie ist mir egal. Oder das, was mit ihr geschieht. Aber du bist mir wichtig. Du musst zu mir zurückkommen, Kev. Versprich mir, dass du zurückkommst.«
Sie nahm seine Hand.
»Ich komme zurück, Jen. Das schwöre ich.«
Der Morgen fand Mason Brand rasiert und in Klamotten gekleidet, die den Kleiderschrank seit einigen Jahren nicht mehr von außen gesehen hatten. Da sie muffig rochen, hatte er sie erst einmal auf einer Leiter vor der Hintertür zum Lüften aufgehängt.
Im Licht der anbrechenden Dämmerung war der Garten nichts weiter als ungepflegtes Dickicht, das sich zunehmend in Brachland verwandelte. Keine Bewegung dort draußen. Welche Flut da auch immer an sein Ufer gebrandet war, sie war
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