ENTWEIHT
kann es gefährlich sein, könnte ich mir vorstellen«, sagte Jake. »Aber Rauchen ist bloß ein Einstieg. Man kann auch spritzen, und mittlerweile gibt es eine neue Art von Designerdrogen, Mikros, die man von der Rückseite einer Briefmarke lecken kann. Wenn du annimmst, dass Blut süchtig macht, kann ich dir nur sagen: Diese Dealer sind ebensolche Blutsauger wie diejenigen, die du auf der Sternseite kanntest, Korath. Aber wenigstens bleibt jemand, der am Drogenkonsum stirbt, auch tot! Das ist so ungefähr das einzig Gute, was sich darüber sagen lässt.«
In einer kleinen Bar, in der die Luft zum Schneiden war – einer Kneipe, in der es nach Marihuana stank – erwischte Jake den Wirt, wie er gerade in einer Nische den Tisch abwischte, und sprach ihn an. Diesmal bezog er sich, da der Mann ihm völlig unbekannt war, nicht sofort auf Castellano. Dennoch kam er sofort zur Sache: Drogen.
»Willst du was kaufen?«, fragte der Barmann mit verschlagenem Blick, ein ungepflegter Kerl, dürr wie ein wandelndes Gerippe, dessen tief liegende Augen ständig hin und her huschten.
»Nein«, sagte Jake. »Ich habe bloß etwas abzuliefern. Du weißt doch, was man über hübsche Dinge sagt: Sie kommen immer in kleinen Päckchen.«
»Mikros? Designerdrogen?« Der Barmann schüttelte den Kopf. »Wenn du was zu rauchen suchst, kann ich dir weiterhelfen. Heutzutage ist das ja schon beinahe legal, fast schon rechtlich anerkannt. Da schert sich keiner mehr drum. Aber das Zeug – das ist nicht meine Liga. Du redest da von Big Business – aber wenn du so dick im Geschäft bist, wie kommt es dann, dass du in so einem billigen Laden wie diesem hier rumschnüffelst? Äh-äh.« Er schüttelte den Kopf. »Das kaufe ich dir nicht ab. Bullen und ihre Spitzel sind hier nicht gerade gern gesehen, mein Freund.«
Dem entnahm Jake, dass es an der Zeit war, an die niedrigeren Instinkte dieses Kerls zu appellieren, und was in San Remo funktioniert hatte, würde hier wohl genauso leicht klappen.
Jake hatte immer noch seine Francs; er klatschte ein Bündel Scheine auf den Tisch in der Nische und sagte: »Ich bin ein Kurier und komme direkt aus Marseille. Ich kam gemeinsam mit einem Freund an, der mir seine, äh, ›Beteiligungen‹ verkaufen möchte. Er musste aussteigen, weil er mittlerweile zu bekannt ist. Aber anscheinend hat er damit zu lange gewartet. Vor gerade mal einer Stunde hat ihn jemand erkannt und er wurde verhaftet. Jetzt will sich die Polizei mit ihm unterhalten – oh, über dies und das, du weißt schon? Aber da ich nun mal neu in dem Geschäft bin, war mein Freund der Mann mit den ganzen Kontakten. Jetzt muss ich unbedingt meine Ware loswerden, je eher, desto besser. Eigentlich sollten wir alles bei einem ziemlich begüterten Dealer hier in Genua – mit rechtlich einwandfreier Adresse – abliefern. Und da es sich um jemanden handelt, der nicht gerne wartet, bin ich gerne bereit, für Informationen zu zahlen.«
Ein paar Leute waren hereingekommen und standen nun am Tresen. Der Barmann sah auf das Geld und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Na gut, wen möchtest du treffen? Ich meine, du weißt doch, wie er heißt, oder? Wenn ich nicht weiß, wo der Stoff hin soll, kann ich dir auch nicht helfen.«
Jetzt hieß es alles oder nichts.
»Castellano«, sagte Jake. »Luigi Castellano. Ich glaube, er stammt aus Sizilien.« Als er sah, wie der Mann zusammenzuckte, fuhr er rasch fort: »Aber, hey, mach dir bloß keine Sorgen – wenn du mir nicht weiterhelfen kannst, werde ich schon jemand anders finden.« Er langte nach den Scheinen, doch der Barkeeper war schneller.
»Versuche es im Frankie’s«, sagte er, indem er das Bündel in die Vordertasche seiner schmierigen Kellnerschürze stopfte. »Frankie’s Franchise. Das ist eine Spelunke in einer Gasse mit Kopfsteinpflaster, die gleich von der nächsten Straße östlich von hier abzweigt. Dort kann dir jeder sagen, wie du zu ihm kommst. Aber, mein Freund, falls irgendjemand fragen sollte, wer dich geschickt hat – ich war es nicht!«
»Keine Sorge«, versicherte Jake ihm erneut. »Die erwarten mich!«
Keine Minute, nachdem er gegangen war, griff der Barkeeper zum Telefon, um auch wirklich sicherzustellen, dass er erwartet wurde ...
Soll ich das so verstehen, sagte Korath, als sie draußen auf der Straße und wieder unterwegs waren, dass du vorhast, geradewegs in die Bastion deines ärgsten Feindes zu spazieren, eines Mannes, der schon zweimal versucht hat, dich
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