ENTWEIHT
mich zu gut kennenzulernen!«, warnte Jake und fuhr fort: »Außerdem ist mein Fernglas bei Tageslicht zwar schön und gut, bei Nacht allerdings nutzlos. Aber ich entsinne mich, dass sie in der Waffenkammer auch Nachtsichtgeräte lagern. Da das Anwesen in Bagheria Castellanos Hochburg ist und er wahrscheinlich Wachen aufstellt, werden wir nicht bei Tag dort auftauchen, sondern ...«
… eines von diesen Nacht-Ferngläsern stehlen?
»Ich werde mir eins ausborgen, ja«, sagte Jake. »Dann muss ich noch meine Ausrüstung überprüfen ...« – mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Sporttasche, die unter dem Bett hervorragte – »etwas Ordentliches essen, und wenn es dunkel ist, kehre ich zurück in jene Schlucht am Fuß des Madonie-Gebirges, um mich mit Humph zu unterhalten. Dann früh ins Bett, damit ich in den frühen Morgenstunden wieder auf den Beinen bin, um mich um ›Frankie’s Franchise‹ zu kümmern.«
Und die anderen Stützpunkte?
Jake antwortete mit einem grimmigen Nicken. »Morgen ist auch noch ein Tag. Ich habe dir doch erklärt, dass ich Castellano beibringen möchte, was es heißt, Angst zu haben! Darum machen wir es nach und nach, damit er zusehen kann, wie es allmählich immer näher kommt.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann gurgelte Korath in seinem tiefsten, düstersten, kehligsten Tonfall: Du hast ja keine Ahnung, welch eine Freude es mir bereitet, mich gemeinsam mit jemandem wie dir auf eine derartige Mission zu begeben.
Jake spürte, dass der tote Vampir seine Anerkennung ernst meinte. »Ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir behaupten«, erwiderte er mit einem Schaudern, das er nicht ganz zu unterdrücken vermochte …
Das E-Dezernat war keineswegs so ein Kinderspiel, wie er dachte. Als er in der Waffenkammer aus dem Kontinuum auftauchte, trat er anscheinend direkt vor einen Sensor. Das machte allerdings keinen großen Unterschied; als die Alarmanlage losschrillte, hatte er sich bereits eine Neun-Millimeter-Browning geschnappt (umgebaut für Spezialmunition), dazu drei Ersatzmagazine und eine lange, schmale Schachtel mit zwölf Dutzend Schuss Munition. Und da die Nachtsichtgeräte offen auf einem Regal herumlagen, schnappte er sich auch gleich eines davon und verschwand auf der Stelle wieder.
»Das war’s«, sagte er, indem er sich in seinem Hotelzimmer in Paris aufs Bett fallen ließ. »Jetzt habe ich alles.«
Aber bist du auch vorbereitet?, fragte Korath.
»Auch das«, erwiderte Jake. »Oh, ich muss diese Waffe noch reinigen und die Ladestreifen auffüllen, vielleicht auch noch die Zünder an den Sprengsätzen auswechseln, die ich gebastelt habe – fünf Sekunden sind nicht viel, selbst wenn wir das Möbiuskontinuum benutzen – aber das ist es vorerst schon. So, da wir heute Nacht bis in die frühen Morgenstunden unterwegs sein werden, werde ich mich jetzt ein bisschen ausruhen.«
Du meinst schlafen?, fragte Korath.
»Ja. Ich habe keine Ahnung, wie es dir geht, aber ich finde, regelmäßig das Möbiuskontinuum zu benutzen, geht ganz schön an die Substanz. Es muss an diesem Rauschgefühl liegen – an der rasenden Vorwärtsbewegung, und dann ist das Ganze auch noch so unheimlich – das macht mir zu schaffen.«
Ist das deine höfliche Art, mich darum zu bitten, dass ich verschwinde?
»Genau«, sagte Jake. »Und vergiss nicht: Die üblichen Warnungen gelten nach wie vor!«
Aber natürlich!, meinte Korath eingeschnappt. Mit einem Mal klang er beleidigt. A ls dein »Partner«, was könnte ich da schon anderes erwarten? Ha! Tatsache ist doch, dass du in mir bloß eine Last siehst!
In gespielter Frustration – vielleicht war es auch keine Pose, bei jemandem, der so verlogen war, war dies schwer zu sagen – ging er seiner Wege und zog sich aus den Randbezirken von Jakes Geist zurück ...
Als Jake sicher war, dass sein ungebetener Teilzeit-Untermieter verschwunden war, murmelte er, diesmal allerdings zu sich selbst: »Wie ein Dschinn in der Lampe. Der einzige Unterschied besteht darin, dass ich mit Korath mehr als die übliche Quote von drei Wünschen habe – so viele Freifahrten im Möbiuskontinuum, wie ich nur möchte.«
Doch was Jake Korath gesagt hatte, entsprach durchaus der Wahrheit. Er fühlte sich in der Tat ausgelaugt. Und während er allmählich in einen unruhigen Schlaf sank, murmelte er leise vor sich hin: »Ein böser Geist, gefangen in seiner Lampe, der hofft, dass er mich, wenn er mit mir ›Freundschaft‹ schließt, dazu beschwatzen kann,
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