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ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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er bis auf seine Unterhose nichts anhatte; seine Kleider lagen fein säuberlich auf einem Stuhl neben dem Bett. Dennis machte sich Sorgen und sagte ihm, er solle es langsam angehen, doch Jake mühte sich in seine Hose und wankte ans Fenster. Noch bevor er dort anlangte, wusste er jedoch, was er zu sehen bekäme.
    »Wir haben heute Morgen einen Arzt geholt, gleich als es hell wurde«, sagte Dennis, der ihm folgte. »Er ist der Meinung, Sie wurden angeschossen. Ein Jagdunfall vielleicht? In den Wäldern sind manchmal Jäger unterwegs.«
    »Schon möglich«, sagte Jake. »Ich bin ja selbst so etwas wie ein Jäger – hin und wieder.«
    Vor dem Fenster befand sich ein Balkon, und unter dem Balkon fielen steile, dicht bewaldete Hänge zum Meer hin ab. Zum Mittelmeer oder, richtiger, zum Ionischen Meer. Das wusste Jake. Er kannte dieses Haus, ja, dieses Zimmer – und ihm war, als müsste er, wenn er sich nur rasch genug umdrehte, ein hübsches Mädchen in ebenjenem Bett schlafen sehen, aus dem er gerade aufgestanden war. Zumindest würde er sich daran erinnern, dass er Penny dort gesehen hatte. Dabei war es gar nicht seine Erinnerung, nein, denn Jake hatte niemals eine Penny gekannt. Es war zum Verrücktwerden!
    »In welchem Hotel wohnen Sie?«, wollte Dennis wissen. Jake hörte ihn kaum. Er war in seine eigenen Gedanken und die flüchtigen Erinnerungen eines anderen versunken. Sie kamen und gingen einfach. Glückliche und traurige Erinnerungen, eine wechselhafte See aus Erinnerungen: ruhig, wütend, von Stürmen aufgewühlt. Dann ein Lebewohl an all dies. Abschied. Von hier aus war Harry Keogh aufgebrochen, und zwar nach … irgendwohin ...
    »Eh? Wo ich wohne?«, sagte Jake. »Keine Sorge! Mir geht es schon wieder besser.« Obwohl Jake noch immer der Kopf schwirrte und sich alles um ihn drehte – all diese Pseudo-Erinnerungen, aus welchem Spalt esoterischen Wissens auch immer sie kriechen mochten –, waren seine Koordinaten zurückgekehrt und hatten sich verfestigt. Und nicht lediglich diejenigen, die er schon kannte, sondern auch eine ganze Reihe anderer, die bereits vor ihm jemand gekannt hatte.
    »Sie sollten diese Wunde nachsehen lassen, äh, …?«, sagte Dennis.
    »Jake«, half Jake ihm aus. Verdammt, um ein Haar hätte er Harry gesagt.
    »Der Arzt meinte, sie müsste genäht werden, aber da sich schon eine Kruste bildet ...«
    »Schon gut«, sagte Jake, während er sich fertig anzog und nach seiner Browning Ausschau hielt, die er jedoch nicht fand. »Alles in Ordnung.«
    Bis er schließlich angezogen war, kehrte Denise mit einem Krug Wasser und einem Glas zurück. Dankbar nahm Jake einen großen Schluck und sagte: »Vielen Dank – für alles. Aber jetzt muss ich los.«
    »Und Ihr Gesicht?«, sagte Denise. »Wir haben es Ihnen noch nicht abgewaschen.«
    »Mein Gesicht?« Jake trat quer durch den Raum an einen Spiegel. Sie meinte die Tarnung, die er vergangene Nacht mit der Holzkohle aufgetragen hatte und die ihm nun in völlig verschmierten Streifen im Gesicht prangte. Was ihn daran erinnerte, alles noch einmal zu überprüfen. »Welchen Tag haben wir heute?«
    Die beiden jungen Leute tauschten einen Blick aus und taten ihr Erstaunen mit einem Achselzucken ab. »Es ist Sonntag«, sagte Dennis.
    Jake warf einen Blick auf seine Armbanduhr und rechnete nach. Am Ionischen Meer war es zwei Uhr nachmittags. Dies bedeutete, dass gut siebzehn Stunden vergangen waren, seit er vor San Remo die Manse Madonie hochgehen ließ. Eigentlich sollte er nun dorthin zurückkehren (und das würde er auch tun, nachdem er Korath herbeigerufen hatte), um den Schaden in Augenschein zu nehmen.
    »Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«, fragte Denise. Besorgt fügte sie hinzu: »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Jake, während er bereits auf wackeligen Beinen durch das ihm so vertraute Haus der Eingangstür zustrebte.
    Die beiden standen da und sahen zu, wie er in den gleißenden Sonnenschein hinaustrat und den Kiesweg entlang zwischen den Pinien auf die Straße nach Argasi zuging. Schon nach wenigen Schritten entdeckte Jake die aufgescharrte Stelle im Kies, an der er beim Verlassen des Möbiuskontinums gelandet war. Direkt neben dem Pfad nahm er im Gesträuch ein mattes metallisches Glänzen wahr. Seine Waffe. Er hob sie auf, steckte sie ein und ging, da er ja den Weg kannte, den Pfad entlang weiter.
    In seiner Vorstellung sah Jake ein schweres Motorrad – es konnte sich eigentlich nur um eine Harley

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