ENTWEIHT
Felsbrocken unn’ Schlamm unn’ … unn’ anderes Zeugs genommen, um‘s einzumauern, weil‘s nämlich dauernd hier reingesickert iss’, weißt du? Hier unten gibt‘s eine Höhle nach der anderen – 'n verdammtes Labyrinth – unn’ die gleich nebenan iss’ voll mit Gas.
Anderes Zeugs?, fragte Jake.
Äh?
Du sagtest, er hätte noch anderes Zeugs genommen, um das Loch zu verstopfen.
Schlamm unn’ Dreck unn’ … ach, alles mögliche Zeugs. (Anscheinend wollte Wally nicht so recht damit rausrücken.) Aber du kannst seine Wand wieder einreißen, Jake. Reiß sie ein, dann wird das Methan hier reinströmen. Allerdings wird‘s jetz’ 'n ganzer Haufen Gas sein – 'ne ganze verdammte Höhle voll! Unn’ wenn es sich mit der Luft hier drin vermischt – unn’ du 'ne kleine Flamme dran hältst ...
Bumm!, sagte Jake.
Ja, sagte Wally. Bloß viel lauter als das!
Jake stellte die Zündflamme seines Flammenwerfers ab und ließ sich von Wally zu der fraglichen Wand führen. Und tatsächlich befand sich unter einem natürlichen, einem Höhleneingang ähnelnden Felsbogen, eine gemauerte Stelle. Es iss’ wirklich 'ne Höhle, behauptete Wally, bloß versperrt. Das siehst du ja selber.
Im Schein seiner Taschenlampe machte Jake übereinandergestapelte Felsbrocken aus und den schwarzen Schlamm, den Szwart als Mörtel benutzt hatte, um die Lücken dazwischen zu verschließen. Er war sich ziemlich sicher, dass er das Ganze einreißen konnte. Also ließ er die Düse seines Flammenwerfers baumeln und machte sich an die Arbeit.
Er begann ganz oben am Bogen, steckte die Finger in den Schlamm und zerrte an etwas Weichem, das sich darin befand ...
… und nachgab, sodass er mit den Armen rudernd zurückstolperte und um ein Haar gestürzt wäre, als ihm eine schlaffe menschliche Hand mitsamt dem Arm entgegenragte! Dem Arm folgte der Rest des Körpers. Steif wie eine Mumie geriet er ins Rutschen und glitt seitlich herab, bis er sich zur Hälfte außerhalb der Wand befand.
Im ersten Moment war Jake entsetzt. Als sein Adamsapfel schließlich zur Ruhe kam und aufhörte, auf und ab zu hüpfen, sammelte er genügend Spucke und schluckte. »Allmächtiger!«
Das kannst du laut sagen!, erscholl schluchzend eine neue und doch merkwürdig vertraute Stimme im Totenäther. Ist es nicht schlimm genug, tot zu sein, noch dazu an einem Ort wie diesem? Musst du jetzt auch noch kommen, um dich an meinem Unglück zu weiden?
Zu weiden? Wer zur Hölle (denn dort befand er sich mit Sicherheit) war dieser Kerl? Und wovon redete er überhaupt?
Jakes Gedanken, die Fragen, die er sich stellte, waren selbstverständlich in Totensprache, und prompt erhielt er auch eine Antwort: Oh, wir sind uns schon öfter begegnet, sagte Alfonso Lefranc. Zum Beispiel in Luigi Castellanos Anwesen in Marseille!?
Jake trat näher und wischte den getrockneten schwarzen Schlamm von einem Gesicht, das er überall auf der Welt wiedererkannt hätte – die wieselhafte, von Pockennarben entstellte Totenmaske mit den rastlosen Augen des letzten von Castellanos Männern. Nun konnte er gewiss sein, dass sein Rachefeldzug vorüber war, denn es gab niemanden mehr, den er aufspüren musste.
Trotzdem wollte er wissen: Was ist mit dir passiert?
Wie im Leben, so auch im Tod. Zum allerletzten Mal gab Lefranc seine Geheimnisse preis. Ich sah dich, drüben in Australien, sagte er. Luigi wies mich an, dir und diesen Leuten vom E-Dezernat zurück nach London zu folgen und über euch alle herauszufinden, was ich nur konnte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich, während ich das E-Dezernat beobachtete, selber beobachtet wurde! Shit! Dabei hätte ich mir doch denken können, dass in London nicht so viele verdammte Nonnen rumlaufen! Sie schienen überall zu sein! Na ja, ich weiß nicht, vielleicht hielten sie mich für so was wie einen Aufpasser vom E-Dezernat. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls schnappten sie mich,und als ich wieder aufwachte, befand ich mich hier unten – wo auch immer »hier« sein mag! Ich wurde von … Gott, von etwas, das ich noch nicht mal beschreiben kann, verhört, und als er, es oder was auch immer mit mir fertig war ...
»... mauerte er dich in seine Wand ein«, sagte Jake laut.
Ja, nachdem er mir die Hand in die Brust gestoßen und mein Herz so lange gequetscht hatte, bis es stehen blieb! Das war‘s also, kein hübscher Marmorgrabstein mit gemeißelter Inschrift für mich. Aber was soll‘s? Was nützt einem schon ein Stein, auf dem steht: »Hier liegt
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