Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
nicht nötig. Sieh ihn dir doch an. Er sieht aus wie ein griechischer Gott und bewegt sich auch wie einer.“
„Eben“, antwortete ich knapp, was sie schließlich dazu brachte, sich umzudrehen und mich zweifelnd anzusehen.
„Sag bloß, du magst ihn nicht?“
Ich wand mich ein wenig unter ihrem ungläubigen Blick. „Nun, ich finde ihn seltsam. Er hat so eine Art einen anzusehen, als würde er in einem lesen wollen.“
Marianne seufzte schwärmerisch auf. „Ja, das ist es ja gerade. Er ist der verständnisvollste Mann, den ich je kennengelernt habe. Er weiß genau, was Frauen wollen und ist ganz der Gentleman. Er hört zu. Und sieht einen dabei an. Er ist aufmerksam. Und er hat ein Lächeln, das Eisberge zum Schmelzen bringt.“ Nach dieser öffentlichen Anhimmelung von Davids Vorzügen drehte sie sich wieder ihrem Schrank zu.
„Wie alt ist er eigentlich?“ Ich konnte ihn nicht einschätzen. Manchmal kam er mir vor wie Mitte Zwanzig, dann wieder wie weit über Dreißig. Er schien irgendwie alterslos zu sein.
Marianne zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Das weiß keiner von uns so genau.“
„Du scheinst reichlich wenig über den Kerl zu wissen, auf den du stehst. Gehört er noch nicht lange zu deiner Clique?“
„Doch, schon eine Weile, aber er spricht nicht viel über sich selbst. Das ist meiner Meinung nach ein weiterer Vorzug seines Charakters. Er muss nicht ständig damit angeben, wie toll er ist und was er alles schon erreicht hat in seinem Leben, so wie andere Männer das ständig tun. Er behält seine Erfolge für sich und spricht nicht über seine Taten.“
Mich stimmte diese Tatsache eher skeptisch. „Das sagt man Verbrechern auch nach“, rutschte es mir unbedacht heraus, womit ich mir einen weiteren düsteren Blick von Marianne einfing.
„Sagt die Frau, die keinen ordentlichen Satz herausbekommt, wenn sie mit meinen Freunden unterwegs ist. Ich finde, du bist hier die Seltsame“, warf sie mir verärgert an den Kopf.
Da ihre Bemerkung nicht ganz von der Hand zu weisen war, schien es mir klüger, die Flucht anzutreten. „Na dann, viel Erfolg heute Abend.“
Obwohl ich ihr genau den nicht wünschte. Was zwar fies war, aber die Vorstellung, dass sie eines Nachts David mit nach Hause bringen könnte und ich ihm am nächsten Morgen auf dem Weg ins Bad begegnen würde, führte dazu, dass mir ungute Kälteschauer über den Rücken liefen. Darauf konnte ich echt verzichten.
Weil mich dieser Gedanke beunruhigt hatte und ich immer wieder gelauscht hatte, ob Marianne womöglich in Begleitung zurückkam, wachte ich, nachdem ich erst eingeschlafen war, als sie definitiv alleine zurückgekommen war, am nächsten Morgen erst nach neun Uhr auf. Leise schlich ich mich in die Küche, um Kaffee zu kochen und war gerade dabei mir zu überlegen, was ich mit dem vor mir liegenden Samstag anfangen sollte, als Marianne sichtlich müde hereinschlurfte.
„Morgen“, murmelte sie unverständlich und schenkte sich erst mal einen Kaffee ein. Ich erwiderte lieber nichts. Ich wusste noch von früher, dass meine Schwester nicht gerade zu den Frühaufstehern gehörte und morgens nicht ansprechbar war.
Schweigend standen wir uns an die Küchentheke gelehnt gegenüber und tranken unseren Kaffee. Nachdem sie die erste Tasse geleert hatte, sah Marianne mich bereits schon etwas wacher an. „Du bist heute aber spät dran. Sonst bist du um diese Zeit doch meist schon aus dem Haus. Wo treibst du dich eigentlich die ganze Zeit rum?“
Da es nicht so klang, als wollte sie plötzlich die große Schwester rauskehren, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Meistens bin ich in der Uni-Bibliothek. Oder ich schlendere durch die Straßen und sehe mich in Buchläden um.“
Marianne verzog das Gesicht. „Wie langweilig. Hast du denn noch keine neuen Freunde gefunden?“ Sie schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein.
Ich zögerte. Ihr die Wahrheit zu sagen, dass ich eigentlich noch nie richtige Freunde gehabt hatte, traute ich mich nicht. Sie könnte mich erneut so wie gestern Abend als seltsam betiteln, was ja durchaus berechtigt war, aber ich hatte keine Lust mich dafür zu rechtfertigen, dass ich lieber alleine war. Also zuckte ich nur gelangweilt mit den Schultern und schummelte ein wenig. „Doch, schon. Aber die sehe ich ja unter der Woche ständig. Es macht mir Spaß, Paris alleine zu erkunden.“
Mariannes Blick war skeptisch, dann legte sie nachdenklich den Kopf auf die Seite. „Wieso gehst du nicht heute
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