Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
mit mir ein wenig Shoppen? Ich könnte dringend etwas Neues zum Anziehen gebrauchen und Brigitte hat heute keine Zeit. Wir könnten ja mal so ein Schwesternding durchziehen.“
Ich war mir nicht sicher, ob sie das nur vorschlug, weil sie sich irgendwie dafür verantwortlich fühlte, sich ein wenig um mich zu kümmern oder ob sie es Ernst meinte, und tatsächlich etwas Zeit mit mir verbringen wollte. Was mich in eine Zwickmühle brachte, denn eine ausgedehnte Shoppingtour mit Marianne stand nicht unbedingt gerade auf meiner Liste an Lieblingsbeschäftigungen für einen freien Samstagmittag. Doch bevor ich reagieren konnte, schien sie entscheiden zu haben, dass es eine gute Idee war.
„ Doch! Das machen wir“, rief sie plötzlich richtig wach wirkend energisch aus. Die Aussicht auf eine Shoppingtour schien sie eindeutig zu euphorisieren. „Wir haben nie viel Zeit miteinander verbracht. Das wird bestimmt ein Spaß.“
Da sie mich so enthusiastisch ansah, blieb mir nichts anderes übrig als zuzustimmen. Ich bezweifelte, dass ich ihren Enthusiasmus für das Durchstöbern von Klamottenläden teilen würde, doch ich wollte sie nicht enttäuschen. Es war nett von ihr, mir anzubieten gemeinsam als Schwestern etwas zu unternehmen. Und sie hatte Recht, wir hatten nie viel Zeit miteinander verbracht. Der Altersunterschied zwischen uns hatte das immer verhindert und vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern, jetzt wo ich in ihren Augen auch endlich erwachsen geworden war.
Nach Mariannes ewigem Aufenthalt im Bad, verließen wir um kurz vor zwölf das Apartment. Zuvor hatten wir noch eine längere, fruchtlose Diskussion über meine, in Mariannes Augen völlig unzureichenden und schlampigen Anziehsachen, die schließlich dazu geführt hatte, dass Marianne mir eine Bluse von sich aufgedrängt hatte, ohne die sie das Haus nicht mit mir verlassen wollte.
Es war eine schöne Bluse, keine Frage. Sie war schlicht und azurblau und unterstrich damit laut Marianne hervorragend meine tiefblauen Augen , was ich achselzuckend zur Kenntnis nahm und auch akzeptieren konnte, aber ich protestierte, als sie mir auch noch eine hautenge schwarze Jeans dazu aufzwängen und mir Make-up auflegen wollte. Das war mir dann doch zu viel. Ich wäre mir verkleidet vorgekommen und einfach nicht mehr ich selbst. Ich war nun mal der sportliche Typ und deswegen bestand ich darauf, ansonsten so zu bleiben wie ich war und meine ausgewaschene, bequeme blaue Jeans und meine Sneakers anzuziehen. Marianne gab angesichts meines ausgeprägten Starrkopfs irgendwann nach, betrachtete meine lässigen Treter aber mit deutlicher Abscheu.
Da es ausnahmsweise ein richtig schöner, sonniger, warmer Herbsttag war, ließen wir unsere Jacken zu Hause und schlenderten gemütlich zur Metro. Es war ein herrlicher Tag und ich bereute es schon, ihn damit zu verbringen, durch stickige Läden zu streunen. Doch meine Schwester hatte richtig gute Laune und irgendwie steckte sie mich damit schlussendlich an.
Wir schlenderten gemütlich durch die großen Einkaufsstraßen von Paris und schlossen uns damit einer Masse von Samstagsshoppern an, die mich fast ein wenig erdrückte. Meine Schwester stürmte so ungefähr in jeden zweiten Laden und sah sich mit nicht zu stoppendem Eifer sämtliche Kleidungsstücke an, wohingegen mir schon nach dem dritten Laden die Lust ausging und mir irgendwie alles gleich vorkam. Doch ich stapfte ihr tapfer hinterher und konnte dabei nicht nachvollziehen, wie sie diesen Marathon auf ihren zehn Zentimeter Absätzen überhaupt bewältigen konnte. Mir rauchten ja schon fast die Füße und ich trug äußerst bequeme Schuhe.
Gegen zwei Uhr konnte ich sie endlich zu einer Kaffeepause überreden. Ich ließ mich laut aufstöhnend auf einen Stuhl fallen.
„Das machst du aber nicht jeden Samstag, oder?“ Ich konnte nicht fassen, dass ich bereits seit zwei Stunden nichts anderes tat, als Klamotten anzusehen und wie ich zu meinem Entsetzen feststellten musste, hatten wir noch lange nicht das Ende der Geschäftsstraße erreicht. Was für eine seltsame Freizeitbeschäftigung. Es kam mir eher wie eine Tortur vor. Doch Marianne wirkte fröhlich und aufgekratzt. Sie war in ihrem Element und man sah ihr nicht ein Zipfelchen Erschöpfung an. Im Gegenteil, sie wirkte, als würde sie eben erst zur Hochform auflaufen. Sie setzte sich elegant neben mich und schlug lachend die Beine übereinander.
„Wieso? Macht doch Spaß.“ Sie warf einem Mann, der wenige Tische
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