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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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überraschende Angebot mit einem dankbaren Kopfschütteln ab. »Danke, Thoranda. Aber… ich bin froh, mit ihm reden zu können. Mein erstes Treffen mit ihm war nicht sehr aufschlußreich. Ich hätte sowieso darum gebeten, zu ihm gebracht zu werden. Ich muß endlich wissen, woran ich bin.«
    Thoranda nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Dann laß uns gehen.«
    Er hatte unbewußt damit gerechnet, daß Thoranda ihn wieder zu jenem steinernen Gebäude zurückführen würde, in dem er Logar das erste Mal begegnet war, aber die Heilerin wandte sich nach Westen und geleitete ihn durch die Randbezirke der Stadt zu einer Stelle, an der in einer Lichtung ein flacher, annähernd runder See unter der Sonne glänzte. Im ersten Augenblick glaubte er, es mit einem stehenden Gewässer zu tun zu haben, da er weder Zu- noch Abfluß entdecken konnte, aber das Wasser war zu klar dafür, und nach wenigen Augenblicken entdeckte er am jenseitigen Ufer einen winzigen sprudelnden Katarakt, dessen beständiges Plätschern und Rauschen sich wie eine murmelnde zweite Stimme in das Raunen des Blätterdaches mischte. Thoranda deutete auf eine schlanke, dunkelhaarige Gestalt, die auf einer steinernen Bank saß, und blieb stehen. »Er erwartet dich.«
    »Du kommst nicht mit?« fragte Skar enttäuscht. Ohne daß er es sich selbst gegenüber bisher eingestanden hatte, erfüllte ihn Thorandas Gegenwart mit einem wahrscheinlich unbegründeten, aber trotzdem beruhigenden Gefühl der Sicherheit. Obwohl sie nicht mehr als eine alte Frau war, war ihm der Gedanke, auf den Schutz ihrer Anwesenheit verzichten zu sollen, unangenehm.
    Thoranda verneinte. »Meine Aufgabe ist das Heilen«, sagte sie sanft, aber auch ein wenig tadelnd, »nicht das Reden. Aber du brauchst keine Furcht zu haben. Logar wird dir nichts tun.« Jetzt sprach sie wirklich wie eine Mutter mit ihm, dachte er, eine Mutter, die einem verängstigten Kind Mut zusprach. Aber genau so fühlte er sich im Moment auch — nicht verängstigt, aber verunsichert und verwirrt in einem Maße wie selten zuvor in seinem Leben.
    Erfuhr mit einem Ruck herum und ging mit weit ausgreifenden Schritten auf die Bank zu, auf der Logar ihn erwartete. »Du wolltest mich sprechen.«
    Logar sah auf. Für einen Moment schien er verwirrt, dann lächelte er in einer sanften, ehrlichen Art, die Skar in diesem Augenblick am allerwenigsten erwartet hätte. »Wie geht es dir?« fragte er anstelle einer direkten Antwort. Er rutschte ein Stück zur Seite und machte eine einladende Geste, die Skar absichtlich übersah. Plötzlich, von einem Augenblick auf den anderen, ärgerte ihn Logars Verhalten. jedermann in dieser Stadt schien bemüht, ihn freundlich und zuvorkommend zu behandeln, aber gerade das ärgerte ihn noch mehr.
    »Ich fühle mich gut«, antwortete er gereizt. »Du hättest dir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, mir die Kehle durchzuschneiden.«
    Zwischen Logars Brauen erschien eine steile Falte, aber seltsamerweise wirkte sein Gesicht dadurch eher noch jünger und verwundbarer. »Du bist verärgert«, sagte er. »Und ich kann deinen Ärger verstehen. Ein Mann wie du ist es sicher gewohnt, anders empfangen zu werden.«
    Skar lauschte vergeblich nach einem Unterton von Ironie oder gar Spott in Logars Stimme. Der Stadtkommandant schien das, was er sagte, durchaus ernst zu meinen.
    »Ein Mann wie ich«, sagte er, bewußt Logars Wortwahl übernehmend, »ist es gewohnt zu wissen, woran er ist. Ich bin jetzt mehr als drei Tage in eurer Stadt, und wie es aussieht, ist unser Schicksal längst entschieden. Wahrscheinlich bin ich der einzige, der noch nicht weiß, was mit Del und mir geschehen wird. Aber wozu auch? Schließlich geht es ja nur um unser Leben.« Er schnaubte ärgerlich, schürzte die Lippen und nahm nun doch neben Logar Platz. Natürlich wußte er, daß er sich ungerecht und obendrein dumm benahm. Logar hatte — selbst wenn er gewollt hätte — weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, mit ihm zu reden. Aber er mußte seinem Ärger einfach Luft machen, und Logar erschien ihm im Moment das passende Ventil dafür. »Ich warte«, fuhr er, ein wenig sanfter gestimmt, aber immer noch gereizt, fort.
    Logar sah ihn eine Zeitlang schweigend an und beugte sich dann vor, um ein paar kleine Steine vom Boden aufzuheben. »Niemand entscheidet über das Schicksal eines anderen«, sagte er, aber die Worte schienen kaum für Skars Ohren gedacht zu sein. Er lehnte sich zurück, spielte einen Moment

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