Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
hätten sehen können — und zog schließlich doch sein Schwert. Mit der Spitze des Tschekal deutete er auf den Wald.
»Steig vom Pferd«, sagte er. »Aber paß auf. Du darfst keine Fußspuren hinterlassen. Versteck dich irgendwo.«
»Ja«, sagte Kiina sarkastisch. »Das beste wird sein, ich klettere auf einen Baum und sehe zu, wie sie dich abschlachten.«
»Ich habe nicht vor, mich umbringen zu lassen«, antwortete Skar ärgerlich. Das hatte er wirklich nicht. Er war sicher, daß es Momente gab, in denen ein Opfer sinnvoll war, aber dieser gehörte ganz gewiß nicht dazu.
»Ich reite zwei-, dreihundert Schritte weiter und verstecke mich dann auch«, sagte er. »Vielleicht sehen sie unsere Spuren ja gar nicht. Und wenn doch, ist es ziemlich sinnlos, daß sie uns beide erwischen, oder?«
Er gab Kiina gar keine Gelegenheit, erneut zu widersprechen, sondern versetzte ihr einen Stoß, der sie halbwegs aus dem Sattel warf, so daß sie ganz instinktiv nach einem tiefhängenden Ast griff und sich daran festklammerte. Ehe sie auch nur begriff, was er tat, griff er nach den Zügeln ihres Pferdes und sprengte los. Kiina stürzte mit einem Wutschrei zu Boden, aber Skar wußte, daß der weiche Morast ihren Sturz dämpfte, und sprengte weiter, ohne sich auch nur noch einmal nach ihr umzudrehen. Die beiden Packpferde folgten ihm ganz instinktiv.
Skar ritt wirklich nur eine kurze Strecke. Die zwei-, dreihundert Schritte, die er Kiina gegenüber zugegeben hatte, und dann noch einmal die gleiche Distanz, als Referenz an Kiinas Sturheit und die scharfen Sinne der Quorrl. Schließlich entdeckte er eine Lücke zwischen den Bäumen; keinen richtigen Weg oder gar eine Lichtung, aber eine schmale Bresche, die ihm und den Pferden Deckung gewährte und — mit ein bißchen Glück — von den Quorrl nicht gesehen wurde.
Aber es schien so, als wäre sein Vorrat an Glück endgültig aufgebraucht. Die Quorrl waren näher gekommen, und als sie nahe genug heran waren, daß Skar trotz des schlechten Lichtes Einzelheiten erkennen konnte, sah er seine Befürchtungen gleich in doppelter Hinsicht bestätigt: es waren weitaus mehr als zwanzig Reiter — mindestens fünfzig, schätzte er, wenn nicht hundert
- und sie bewegten sich tatsächlich fast genau auf die Stelle am Waldrand zu, an der er sich von Kiina getrennt hatte.
Skar drängte Kiinas Pferd und die beiden Packtiere rücksichtslos in das dornige Unterholz des Waldrandes hinein, band ihre Zügel hastig aneinander und zwang dann sein eigenes Tier, ein paar Schritte rückwärts zu gehen, bis sich die Bresche wieder genug erweitert hatte, um es herumzudrehen. Dann band er es ebenfalls an einen Ast, stieg aus dem Sattel und näherte sich behutsam dem Waldrand.
Seine Vorsicht war keineswegs übertrieben.
Die Quorrl hatten den schmalen Saumpfad am Wald erreicht und haltgemacht. Ein paar der riesigen Schuppengestalten war aus den Sätteln gestiegen und schien den Boden zu untersuchen, die anderen bildeten einen weit geschwungenen, aber fast geschlossenen Dreiviertelkreis vor den Bäumen. Sie hatten ihre Spuren entdeckt, dachte Skar düster. Und sie brauchten nicht einmal einen besonders talentierten Fährtenleser, um zu erkennen, daß sie erst wenige Minuten alt waren.
Geduckt schlich er zu seinem Pferd zurück, stieg wieder in den Sattel und griff nach dem Zügel. Er war weniger besorgt, als er Kiina gegenüber den Anschein erweckt hatte. Sicher, er war nicht in seiner besten Form, aber er hatte ein Quorrl-Pferd, ein ausgesucht kräftiges Tier sogar, und er wog zweihundertfünfzig Pfund weniger als die schuppigen Kolosse, die eine halbe Meile hinter ihm Aufstellung genommen hatten. Skar glaubte nicht, daß es ihm besondere Schwierigkeiten bereiten würde, den Quorrl einfach davonzureiten.
Was ihm Unbehagen bereitete, war Kiina. Er war nicht sicher, daß es ihm gelang, alle Quorrl vom Waldrand fortzulocken. Und er war noch sehr viel weniger sicher, daß Kiina die Nerven behalten würde, falls die Quorrl etwa auf die Idee kamen, in unmittelbarer Nähe ihres Versteckes ein Lager aufzuschlagen. Aber welche Wahl hatte er schon?
Skar zog abermals sein Schwert, ritt bis zum Waldrand und hielt wieder an. Sorgsam legte er die Waffe vor sich über den Sattel, wickelte den Zügel um den Stumpf seines linken Armes und zog zweimal prüfend daran, bis er sicher war, das Tier auf diese Weise wenigstens notdürftig dirigieren zu können.
Wie er erwartet hatte, hatte sich ein kleiner Trupp von der
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