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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Quorrl, aber gleichzeitig anders; mißgestaltet, wie eine Wachsfigur, die in heißes Wasser gefallen und aufgequollen war. Das Schemen verschwand zu schnell wieder, als daß Skar Einzelheiten erkennen konnte, aber er hatte einen Eindruck von etwas Schwarzem, Brodelndem, das gleichsam aus dem Quorrl herauszuwachsen schien, ihn dabei aber zugleich auch auffraß, und —Das Ding war fort, noch ehe Skar Gelegenheit fand, einen Schrei auszustoßen, aber was zurückblieb, war ein klebriges Gefühl von Angst, und wieder und ungleich heftiger das Wissen, einer Bedrohung gegenüberzustehen, die nicht neu war. »Worauf wartest du?«
    Skar schrak hoch und herum und registrierte erst jetzt, daß Titch und die beiden Quorrl gute zehn Schritte weitergegangen waren.
    »Nichts«, sagte er unsicher. »Es war…«
    »Nur ein Schatten?« schlug Titch vor.
    »Ja«, murmelte Skar. »Das war es wohl.« Er lächelte, ein wenig
zu
überzeugend, wie er selbst spürte. »Geht weiter. Rowl wartet sicher schon auf uns.«
    Er — oder jemand anderes. Etwas anderes,
wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn. Für einen Moment sah er ihn: die dürre, zerbrechlich wirkende Kindergestalt seines Dunklen Bruders, die aus den Schatten herausgetreten war und ihm spöttisch
(oder auffordernd?)
zuwinkte und wieder verschwand, ehe Titch oder die beiden anderen ihn sehen konnten.
    Sie fanden weitere, offenstehende Türen, und untersuchten auch die dahinterliegenden Räume; die ersten zwei oder drei so gründlich wie den, auf den sie in dem anderen Gang gestoßen waren, dann nur noch mit einem flüchtigen Blick. Das Ergebnis war überall das gleiche. Alle Räume waren leer. Hätte Skar es nicht besser gewußt, hätte er geschworen, daß ganz Caran verlassen war.
    Er ging unwillkürlich langsamer, als sie sich Rowls Kammer näherten, und auch Titch wurde sichtbar nervöser. Etwas war… hier. Es war kein Gefühl mehr, es war
Wissen;
als könne er mit einem neuen, zusätzlich erworbenen Sinn plötzlich durch die Wand sehen und die Gefahr erkennen, die dort drinnen auf sie lauerte; dasselbe unsichtbare Ding, das schon alles Leben hier drinnen verschlungen hatte und nun auf seine letzten Opfer wartete.
    Dicht vor Titch und mit klopfendem Herzen betrat er den Raum. Niemals zuvor im Leben hatte er eine solche
Angst
verspürt wie jetzt.
    Nichts.
    Der Raum war leer und kühl und von rotem Licht erfüllt wie immer. Die drei Zauberspiegel an der Wand waren erloschen, und in der Luft hing der gleiche, durchdringend-stechende Geruch wie in jenem ersten leeren Zimmer, das sie durchsucht hatten.
    »Verdammt. Wo, zum Teufel, sind sie alle?« Wo war Kiina?
    »Aber das ist doch unmöglich«, murmelte Titch, der dicht hinter ihm durch die Tür getreten war. »Wir waren keine zwei Stunden fort! Sie können nicht alle…«
    Tot sein? O doch, das können sie, Bruder. Erinnere dich an Ennarts Worte. Was jetzt geschieht, ist allein deine Schuld. Und er ist kein Mann leerer Drohungen.
    Es dauerte Sekunden, bis Skar begriff, daß Titch den Satz nicht zu Ende gesprochen hatte; und daß an dem nachfolgenden Schweigen etwas Erschrockenes, Ungutes war. Mit klopfendem Herzen drehte er sich herum.
    Er war auf Schlimmes gefaßt gewesen, aber die Wirklichkeit übertraf seine Erwartungen.
    Neben der Tür lag ein toter Quorrl. Er lag auf dem Rücken, die Beine angezogen, den rechten Arm noch im Tod erhoben und die Finger in die Wand gekrallt, und aus seiner Brust ragte der Griff eines Dolches. Aber es war nicht diese Waffe, die ihn umgebracht hatte.
    Seine linke Körperhälfte war skelettiert. Aus dem Ärmel seines zerschlissenen Wamses ragte eine zerbrochene Skelettklaue; die Knochen lagen so da, wie der Quorrl gestürzt war, aber auseinandergefallen, denn selbst die Sehnen und Bänder, die ihnen Halt gegeben hatten
(noch vor zwei Stunden, Bruder!),
waren verschwunden. Seine Kleider waren eingesunken, das linke Hosenbein und der Stiefel scheinbar leer, und die grausame Elimination des Lebens hatte auch vor seinem Gesicht nicht haltgemacht: die linke Hälfte seines Kopfes war ein grinsender, ausgehöhlter Totenschädel. Hinter der leeren Augenhöhle war nichts mehr. Was immer seinem Körper dies angetan hatte, hatte auch vor seinem Inneren nicht haltgemacht.
    Für Bruchteile von Sekunden glaubte Skar noch einmal das Gespenst zu sehen, diese böse verquollene Karikatur eines Quorrl, von etwas Großem, Verquollenem befallen, das wie rasend schnell wuchernder Krebs aus seinem Körper

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