Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
niedergemacht hätten, hätten ihnen nicht die Nahrak vollkommen überraschend beigestanden.
    Skar fürchtete, dass sie selbst der Riesenechse gefährlich werden konnten. Doch offensichtlich war der
Frarr
ein überaus ungewöhnlicher Drache. Soweit Skar wusste, vermochte keiner seiner weitläufigen Artgenossen Feuer zu spucken. Und er kannte auch keine andere Flugechse, die trotz ihrer Masse so schnell und wendig war wie der Frarr. Ein paar
Khtaam
klatschen dennoch gegen seinen Bauch, aber er schüttelte sie ab, wie ein Hund ein paar lästige Flöhe loswerden würde.
    Sein rasantes Flugmanöver, seine Kraft und seine blitzschnelle und konsequente Abwehr waren von Vorteil, um die ihnen nachjagenden
Khtaam
auf Distanz zu halten.
    Aber sie waren ein echter Nachteil für jemanden, der sich verzweifelt in die dünnen Seile einer Strickleiter klammerte, die nur als Notbehelf gedacht war, um auf den Rücken eines der gewaltigsten Wesens Enwors zu klettern. Skar ahnte, dass seine verkrampften Finger nicht mehr lange die Last seines Körpers tragen würden, zumal er bei jedem unerwarteten Flugmanöver erbarmungslos durchgeschüttelt wurde. Es musste etwas geschehen, was ihn aus dieser unangenehmen Lage befreite oder er würde früher oder später den Halt verlieren und in das stürzen, was die ganze Zeit über schon eine morbide Anziehungskraft auf ihn ausgeübt hatte.
    Als sie in Schwindel erregende Höhe aufgestiegen waren, drehte der
Frarr
in einer atemberaubenden Kurve ab, legte sich wie ein Segelflieger in den Aufwind und gab damit Skar die Gelegenheit zu fühlen, was passierte, wenn Arme, an denen ein ganzes Körpergewicht hing, erbarmungslos überdehnt wurden. Die Luft rauschte hörbar an ihnen vorbei und überdeckte den erstickten Laut, mit dem Skar seine letzten Kraftreserven mobilisierte, um sich endgültig hochzuziehen.
    Kaum auf dem Rücken des fliegenden Ungeheuers angekommen, kämpfte er einen verzweifelten Moment lang um sein Gleichgewicht. Die glatten Schuppen des Drachen boten ihm kaum Halt und seine Stiefel rutschten ab, als er sich von der an einer Zacke befestigten Strickleiter auf den Rücken zu schwingen versuchte. Einen fürchterlichen Augenblick hing er fast frei in der Luft, zwischen Höhlendach und dem Schlund tief unter ihnen. Ein Sturz aus dieser Höhe würde absolut tödlich sein, doch die Vorstellung, in das schwarze Gewimmel unter ihnen hinabzustürzen, erschien ihm noch erschreckender.
    Schließlich schaffte er es, sich auszubalancieren und sein rechtes Bein so weit zu überdehnen, dass er hinter dem Digger-Mädchen in einen Spalt zwischen zwei der scharfen Zacken auf dem Wulst des fliegenden Ungeheuers rutschen konnte. Esanna hatte sich mittlerweile so weit wie möglich nach vorne gelehnt und krallte sich bebend und zitternd in den Drachenschuppen fest; offenbar vermied sie es krampfhaft, in die Tiefe zu schauen. Bei Skar hingegen siegte die Neugier. Er legte Esanna beruhigend eine Hand auf die Schulter und starrte über die giftgrün glänzenden Drachenschuppen hinab in die Unendlichkeit.
    Sie waren jetzt genau über dem Schlund. Für einen Moment nur hatte Skar freie Sicht in die schier unermessliche Tiefe des senkrecht nach unten verlaufenden Lochs, das wie ein gewaltiger Krater das Zentrum der Höhle ausfüllte. Aus dieser Höhe konnte er nicht das hektische Treiben auf den kreuz und quer laufenden Steinadern beobachten, aber er hatte dafür freien Blick in das Zentrum des
Khtaam.
Zuerst verstand er nicht, was er da sah; dann stieg ein leises Flüstern in ihm hervor und wurde immer lauter, bis er seine Botschaft verstand: Es sah aus wie das Auge eines Zyklopen, ein gigantisches, ovales Gebilde viele Meilen unter ihm, das ihn geradewegs zu beobachten und zu durchbohren schien. In seiner Mitte glitzerte es schwarz und böse, während es zum Rand hin heller und verwaschener wurde.
    Aber es war kein Auge. Es war Wasser. Ein verfluchtes unterirdisches Meer, ein Strudel, der sich in wahnsinniger Geschwindigkeit drehte, Gischt schlagend am Rand und vom Sog im Zentrum in die Tiefe gedrückt; ein wie verrückt kreisendes Ding, aufgeputscht von Gewalten, die er nicht verstand, aufgewühlt von Strömungen, die er nicht sah —und doch war er sich sicher: Dieses Ding beobachtete ihn, dieses Etwas kreiste von Sekunde zu Sekunde schneller, voller Schmerz und Entsetzen, dass ihm sein sicher geglaubtes Opfer im letzten Moment entwischte.

DRITTER TEIL
    Nachdem sie den Höhlenausgang hinter sich gelassen

Weitere Kostenlose Bücher