Enwor 11 - Das elfte Buch
dass ihr danach nur noch mit Mühe und Not eine Landung gelungen war. Skar hatte keine Lust auszuprobieren, wie sicher das Flugverhalten des
Frarr
unter ähnlichen Bedingungen war. Er konnte nur hoffen, dass Kama wusste, was er tat. Seine Befürchtung, die Echse nicht mehr lange steuern zu können, trug dabei allerdings nicht gerade zu seiner Beruhigung bei.
Es war ein großer Felsen, den die Echse jetzt umrundete, und hier schienen Winde aus verschiedenen Richtungen förmlich aufeinander zu prallen; sie wurden so heftig durchgeschüttelt, dass sich jetzt auch Skar mit aller Gewalt in den Halt der Schuppen duckte, um nicht von einer Bö heruntergerissen zu werden.
»Warum landen wir nicht?«, brüllte er Kama zu, aber wahrscheinlich hörte ihn der Nahrak gar nicht; er war vollständig damit beschäftigt, den Drachen durch die tobenden Winde zu steuern.
Es war Skar ein Rätsel, was Kama vorhatte. Eben noch hatte sie eine nicht allzu weit entfernte liebliche Waldlandschaft angelockt, nahe an einem Plateau gelegen, das wie für eine Landung gemacht schien. Von dort aus hätten sie ohne ihren speziellen und nicht ganz geheuren Rettungsengel zu Fuß weitergehen können — nach einer ausgiebigen Rast und nachdem sie ihre Wunden versorgt hatten. Doch nun ließ der Nahrak die Echse in die entgegengesetzte Richtung fliegen, mitten hinein in gefährliche Turbulenzen und damit in die sonnenabgewandte Seite des Berges, aus dessen Schoß sie gerade erst entflohen waren.
Vor ihnen tat sich jetzt eine karge und düstere Landschaft auf; Schnee bedeckte die Wipfel weniger, krank aussehender oder sogar abgestorbener Bäume, Nebelschwaden zogen über feuchtes, finsteres Buschwerk und schroffe Felsen bildeten eine natürliche Barriere, die zu überwinden dem Drachen sichtlich schwer fiel. Es war dies die Seite, über die sie zur Höhle hinaufgestiegen waren — und Skar wäre es lieber gewesen, sie nie wieder zu sehen.
»Warum fliegen wir weiter?«, schrie er gegen den Flugwind an. »Wir hätten doch auf der anderen Seite niedergehen können.«
Kama drehte sich kurz zu ihm um. Er wirkte irritiert.
»Wir müssen weiter weg«, brüllte er. »Weg vom Fluss.«
Zu seiner eigenen Verblüffung löste diese Antwort des Nahrak in ihm eine tiefe Resonanz aus, so als würde etwas in ihm verstehen, warum der Fluss eine Bedrohung für ihn war. Doch auch wenn ihr Schwenk in die kalten, unfreundlichen Regionen begründet sein mochte, war er doch höchst unerfreulich und raubte ihm die Illusion, dass sie nach der Landung in einer sonnendurchwärmten, friedlichen Landschaft Ruhe und Entspannung finden könnten. Dabei, hatten sie das bitter nötig. Sie alle hatten grauenvolle Stunden hinter sich, hatten Dinge erlebt, die selbst seinen nicht gerade geringen Erfahrungshorizont mühelos gesprengt hatten, und sie konnten das nicht so einfach wegstecken, ohne früher oder später dafür bezahlen zu müssen.
Die Kälte kroch schon jetzt seine nackten Beine empor und ließ ihn frösteln. Doch trotz der kalten, frischen Luft und dem durchaus nicht gerade Vertrauen erweckenden Gelände, auf das sie zusteuerten, fiel es ihm zunehmend schwerer, seiner Umgebung die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Immer wieder fiel er in einen Sekundenschlaf, tauchte nur kurz wieder an der Oberfläche seines Bewusstseins auf, um dann wieder in die Dämmerung kurzen Vergessens hinabzugleiten.
Der Flug dauerte nur noch wenige Minuten, aber Skar war so müde, dass er innerhalb dieser Zeitspanne beinahe eingeschlafen wäre. So entscheidend wichtig es ihm auch erschien, bekam er von der Landung der Riesenechse kaum etwas mit. Erst als der
Frarr
auf einem halb eingeschneiten, halb matschigen Plateau niedergehen wollte, ruckte sein Kopf wieder hoch.
Die Landung gestaltete sich kaum weniger abenteuerlich als der Start. Der
Frarr
donnerte mit der Wucht einer Gerölllawine auf eine kleine Lichtung zu, die kaum groß genug war, um ihm genug Platz zum Landeanflug zu lassen. Das schien ihn jedoch nicht weiter zu kümmern, im Gegenteil: Inmitten eines ungeheuren Luftsogs ließ er sich geradezu auf die Lichtung fallen, eher einem Stein ähnlich als einem Vogel, der federsanft aufsetzen wollte.
Esanna stieß einen spitzen Schrei aus und Skar verstärkte den Griff, mit dem er sie hielt, bis er begriff, dass es des Guten vielleicht ein wenig zu viel war, und ihn erschrocken wieder lockerte.
Erst im allerletzten Moment breitete der Drache die Schwingen fast senkrecht aus und
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