Enwor 11 - Das elfte Buch
unvorhersehbaren Einfluss auf alles in seiner Umgebung hat«, murmelte Skar.
»Was?«
»Sei einfach vorsichtig, ja?«
Minutenlang hörte er nichts weiter als ihren Atem in seinem Nacken, die Geräusche des Waldes und das Knacken und Knistern, mit dem sie sich selbst durch das Dickicht quälten. Irgendetwas hatte sich verändert seit letzter Nacht. Sie waren beide sehr schnell eingeschlafen und hatten vom Nachmittag bis in den nächsten frühen Morgen bis auf wenige Unterbrechungen durchgeschlafen; sie waren so erschöpft gewesen, dass Skar nicht einmal pro forma darauf bestanden hatte, abwechselnd zu wachen. Unter normalen Bedingungen hätte er ein solches Verhalten als bodenlosen Leichtsinn verdammt — aber die Bedingungen waren nicht normal.
Das, was zwischen ihnen in dieser Nacht passiert war, auch nicht. Sie hatten eng aneinander geklammert geschlafen wie zwei verängstigte Kinder, die sich vor den Schatten der Nacht fürchteten. Skar hatte das als sinnvoll angesehen; schließlich war es trotz des zusätzlichen Laubs, das er zusammengeklaubt hatte, um sich darin regelrecht einzurollen, so empfindlich kalt gewesen, dass die Gefahr einer Unterkühlung bestand. Es gab aber nichts, was besser wärmte, als ein menschlicher Körper.
Sie hatten sich nicht nur gewärmt. Sie waren immer enger zusammengerückt. Er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was passiert war; es war ein Gefühl, als wären sie ohne jegliche körperliche Aktivität ineinander verschmolzen — und sich doch gleichzeitig so fremd und so entfernt geblieben, wie es zwei Menschen nur sein konnten. »Heute Nacht…«, begann er übergangslos, während er sich unter einem tief hängenden Zweig bückte, dessen Ausläufer wie eine liebkosende Frauenhand über sein Gesicht strichen.
»Ja?«
»Ich… ich meine…«
Er konnte sie nicht sehen, aber er spürte, dass sich ihr Atem beschleunigte. »Du meinst… ob mir heute Nacht etwas aufgefallen ist?«, fragte Esanna. »Etwas, was auf die
Khtaam
schließen lässt?«
»Ja«, sagte er erstickt. »Es könnte sein… dass sie versucht haben…«
»Sich in unsere Gedanken und Gefühle einzuschleichen«, beendete Esanna seinen Satz.
Es war ihm geradezu unheimlich, wie präzise sie seine Gedanken erriet. »Es hat uns in der Höhle nicht nur äußerlich angriffen«, sagte er. »Es hat… auch etwas anderes gemacht.«
Esanna schwieg so lange, bis sich ihr Atem wieder einigermaßen beruhigt hatte. »Vielleicht haben wir uns das nur eingebildet«, sagte sie schließlich.
Skar hätte sich fast umgedreht, um ihren Gesichtsausdruck zu sehen; doch stattdessen beschleunigte er seine Schritte. Seine Stiefel streifen einen kümmerlichen, aber blühenden Busch — das erste Anzeichen dafür, dass sie nun wieder in wärmere Gefilde kamen — und zerquetsche mit unnötig roher Gewalt ein paar der kleinen, rotweißen Blüten. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist«, sagte er in den Wald vor sich hinein, und vielleicht waren die Worte tatsächlich gar nicht an das Mädchen gerichtet, das offensichtlich Mühe hatte mit ihm Schritt zu halten, sondern an das, was ihn gerufen hatte, um Enwor vor der drohenden Vernichtung zu bewahren.
»Was soll mit mir los sein?«, fragte Esanna. »Verdammt, Skar… kannst du nicht etwas langsamer gehen? Was soll diese plötzliche Hetze?«
»Vielleicht hat dich ja jemand geschickt«, flüsterte er. »Vielleicht hat dich jemand auf mich angesetzt.«
Er hatte so leise gesprochen, dass ihn das Mädchen gar nicht verstehen konnte. Er wusste nicht, was ihn am Fluss erwarten würde, dessen Nähe er jetzt bereits zu riechen glaubte, aber vielleicht war jetzt die letzte Möglichkeit für sie beide Dinge zu erklären, die unausgesprochen zwischen ihnen standen — und sie dennoch miteinander vereinten. Ob sie das ähnlich sah, konnte er nicht beurteilen. Falls das so war, änderte es jedenfalls nichts an ihrem Verhalten. Die Unruhe, die sie erfasst hatte, mochte aber auch noch teilweise eine Nachwirkung der Nacht sein, die sie und Skar an den Rand von etwas getrieben hatten, auf was er sich —zumindest im Moment — auf keinen Fall einlassen wollte.
»Wir sollten miteinander reden, Skar«, sagte Esanna hinter ihm. »Wir können doch nicht einfach so weiterziehen…«
»Still«, zischte Skar. Er war abrupt stehen geblieben; erschreckt nicht durch ein Geräusch, sondern durch einen ihm nur allzu bekannten Geruch: den Geruch des Todes.
Wie von selbst schmiegte sich seine Hand um
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