Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
in mir, der ich nicht bin«, stellte Esanna nach einer Weile fest. Ihre Stimme verlor sich fast im Prasseln der letzten Holzscheite, die sie jetzt nachgelegt hatte. Wenn das Feuer heruntergebrannt war, würde es schon Minuten später empfindlich kalt werden.
    »Kann sein«, gab Skar zu. »Aber es könnte natürlich auch anders herum sein.«
    »Anders herum?«, fragte sie misstrauisch. »Was meinst du damit?«
    »Dass du eine Bestimmung hast, derer du dir selbst noch nicht bewusst bist. Etwas, das die ganzen Jahre in dir geschlummert hat und das jetzt zum Ausbruch kommt.«
    »Wie kommst du nur auf einen solchen Unsinn?«, fragte sie.
    »Vielleicht deshalb, weil es mir vor einer Ewigkeit ganz ähnlich ging…«, sagte Skar und erinnerte sich an sein Widerstreben, als er Stück für Stück hatte begreifen müssen, was der
Dunkle Bruder
in ihm gewesen war: mehr als nur eine innere Stimme, der
Wächter,
etwas unglaublich Fremdes und dennoch nur allzu bald sehr Vertrautes, das ihm die Verantwortung für ganz Enwor auf die Schultern gelegt hatte. »Das Schicksal sucht sich manchmal in bestimmten Menschen ein Werkzeug zur Erledigung großer Aufgaben«, murmelte er nach einer Weile. »Und es fragt nicht, ob dieser Mensch sein Schicksal nun annehmen will oder nicht.«
    »Na, vielen Dank. Und wenn ich nun kein Werkzeug sein will?«
    Skar schloss für einen Moment die Augen.
Der Boden glänzte unter einer feuchten, schlierig-klaren Schicht. Die Luft stank so durchdringend, dass das Atmen zur Qual wurde. Die skelettierten Reste von sieben, acht Quorrl lagen auf dem Boden oder zerbrochen über Stühlen und dem breiten Bett, dessen Seidenbezug schwer und dunkel vom Blut der
Sternenbestie
geworden war.
    Er hatte Tod und Vernichtung unter die Quorrl gebracht wie auch unter die Menschen, er hatte zu lange gezögert, weil er sich dem Schicksal hatte entgegenstemmen wollen.
    Es durfe nie wieder geschehen. Was auch immer da in seinem Inneren aufgeflackert war, diese ferne Erinnerung einer grauenvollen Katastrophe: Er durfe nie die mir ihr verbundene Warnung vergessen.
    »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, drängte ihn Esanna.
    Aber das hatte Skar auch gar nicht vor. Er konnte es nicht.
    Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken, das hier nicht hingehörte, ein leises, kaum hörbares Tapsen, dessen Ursprung er nicht orten konnte. Vielleicht ein Tier, möglicherweise sogar ein Bär — auch wenn er sich das nicht vorstellen konnte, denn dann hätte er seine Anwesenheit schon vorher spüren müssen. Das Geräusch wiederholte sich und dann glaubte Skar noch etwas anderes zu hören: einen leisen Singsang, sanft und fern wie ein Windhauch, aber doch so deutlich wie das Geräusch der ersten feinen Tropfen, das einen Regen ankündigte.
    Skar glitt förmlich in die Töne hinein, die er hörte, versuchte sie zu fassen und zu ergründen, während er noch immer in das prasselnde Feuer vor sich starrte. Es war nicht einfach, die Feuergeräusche so weit auszublenden, bis er die Quelle der anderen Laute feststellen konnte.
    »Warum antwortest du nicht auf meine Frage«, wollte Esanna wissen.
    »Still«, zischte Skar kaum vernehmbar und legte den Finger auf den Mund, um seine Worte zu bestärken.
    »Warum?«, fragte Esanna trotzig, doch ein Blick in Skars Gesicht ließ sie verstummen und erschrocken die Augen aufreißen.
    Skar erhob sich langsam und ohne Eile. Wer oder was auch immer dort im Hintergrund der Höhle war, bewegte sich langsam und vorsichtig. Womöglich wurden sie die ganze Zeit über schon beobachtet. Wenn das so war, dann wollte er den oder die Lauscher nicht mit der Nase darauf stoßen, dass er sie entdeckt hatte.
    »Was ist denn nun…«, begann Esanna, brach dann aber mitten im Satz ab, als Skar den Kopf schüttelte.
    Es war merkwürdig: Aber in diesem Moment wünschte er, Del wäre an seiner Seite und nicht ein unbeholfenes Digger-Mädchen, das sich mit jeder Bewegung und jeder Äußerung einem heimlichen Beobachter verdächtig machen musste.
    Aber Del war nicht nur tot. Er war auch ein dreckiger Verräter gewesen. Der Mann, den er als seinen besten Freund, seinen engsten Vertrauten und letztlich auch als eine Art Ziehsohn betrachtet hatte, hatte ihn von Anfang an betrogen.
    »Wir brauchen noch etwas Holz«, sagte er laut. »Halte die Flammen so lange in Gang, bis ich welches gefunden habe.« Esanna nickte hektisch und sah sich gehetzt nach allen Seiten um. Verdammt. Genauso gut hätte sie sich ein Schild um den Hals

Weitere Kostenlose Bücher