Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
der ewigen Nacht im Inneren des Berges verlor. Die Wände waren nur als schwarze, umrißlose Schatten erkennbar, auf denen sich manchmal ein einsamer Lichtsplitter brach. Der Boden war hier ebener als vorne am Ausgang, und Skar war sich nicht sicher, ob die Linien und Striche, die durch die zollstarke Staubschicht auf dem Fußboden sichtbar waren, zu einem Mosaik gehörten oder einfach Sprünge im Fels waren. Wenn diese ganze Anlage, wie Vela behauptete, wirklich künstlichen Ursprungs war, mußten sie achtgeben.
    Die Herren Combats waren mächtig gewesen, mächtig genug, um sich selbst mit den Göttern messen zu wollen. Ihr Zauber mochte noch immer wirksam sein.
    Er hob die Hand, um die anderen zum Anhalten zu bewegen, drehte sich einmal um seine Achse, ohne mehr als Schatten und massige schwarze Schemen zu erkennen, und schwang sich mit einem entschlossenen Ruck in den Sattel. Sein Pferd tänzelte nervös und stieß ein leises, ängstliches Wiehern aus. Seine tierischen Instinkte mochten es die Fremdheit der Welt, in die sie eingedrungen waren, noch deutlicher spüren lassen.
    Auch die anderen saßen auf. Die Höhle war groß genug, daß sie nebeneinander reiten konnten. Skar fiel erneut die allgemeine Nervosität auf, aber sie war anders diesmal, angespannter, furchtsamer. Die Hände der Männer wanderten immer wieder nervös zu ihren Waffen, und sie ritten wie eine Herde Schafe, die sich ängstlich aneinanderdrängt, dichter beisammen, als es notwenig gewesen wäre. Skar brachte sein Pferd mit sanftem Schenkeldruck zum Stehen, als sie das gegenüberliegende Ende des Saales erreicht hatten. Die Stollen waren da, wie auf Velas Karte eingezeichnet — drei große finstere runde Löcher, die nebeneinander in den Fels hineinführten. Einer von ihnen war zerstört, zur Hälfte eingestürzt und von einer unüberwindlichen Mauer aus Felstrümmern und zerschmolzenem und blasig erstarrtem Gestein blockiert. Skar versuchte sich die Temperaturen vorzustellen, die notwendig waren, massiven Fels wie Wachs zerlaufen zu lassen, aber er konnte es nicht.
    Er drehte sich halb im Sattel um und warf Gowenna einen fragenden Blick zu.
    »Der Mittlere«, sagte sie. Auch ihre Stimme schwankte, obwohl sie sich sichtlich Mühe gab, möglichst unbeeindruckt zu erscheinen. Aber die Magie dieser Höhle war nichts, dem man mit Mut und Unerschrockenheit begegnen konnte, sondern etwas vollkommen Fremdes, etwas, das die Mauern um ihren Geist unterlief und an Bereichen ihrer Seele nagte, von denen sie bisher kaum gewußt hatten, daß es sie gab.
    Skar nickte wortlos. Sein Blick begegnete dem Arsans. Die Augen des Kohoners waren unnatürlich geweitet, sein Gesicht zuckte im flackernden Schein der Fackeln. Sie alle hatten das Spinnensymbol, einen Kreis mit acht Beinen und einem hineingemalten Totenschädel, auf der Karte gesehen.
    »Beeilen wir uns«, sagte er rauh.
    Es war ein seltsames Gefühl, in den Stollen einzudringen. Keine Furcht in dem Sinne, in dem er das Won bisher benutzt hatte, sondern eine drückende, krabbelnde Beklemmung, als dringe er mit jedem Schritt weiter in einen Bereich der Welt vor, in dem nichts Lebendes Bestand haben konnte. Er konnte das Alter der Wände, die ihn einschlössen, spüren, all die Jahrhunderte, Jahrtausende, die seit ihrer Entstehung vergangen waren. Die Welt war untergegangen und neu entstanden, seit man die Wände erbaut hatte, und irgend etwas von all den Millenien, die an ihnen vorübergezogen waren, war an ihnen haften geblieben, etwas Bedrückendes und Traurigmachendes, ein Stück materialisierter Ewigkeit, das Wissen, daß alle Bemühungen und jeder Kampf, egal wie groß und gewaltig das Ziel erscheinen mochte, letztlich sinnlos waren und keine Spuren in der Zeit hinterließen. Skar hatte plötzlich das Gefühl, nur noch mit Mühe atmen zu können.
    Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt schneller. Am Ende des Stollens war ein winziger, trübgrauer Fleck: Tageslicht, das vom jenseitigen Eingang hereinschimmerte. Der Boden war so glatt, als wäre er poliert worden, und ein süßlicher, schwer einzuordnender Geruch, der Skar erst nach einiger Zeit auffiel, hing in der Luft, etwas, das wie Verwesung und doch wieder ganz anders roch. Er wollte nicht wissen, was seine Ursache war.
    Sie brauchten weniger als eine halbe Stunde, um den Tunnel zu durchqueren. Der Stollen endete wie abgeschnitten am Rande einer brettflachen, halbkreisförmigen Ebene, die, ebenso wie der Tunnel, frei von Schnee und Matsch war.

Weitere Kostenlose Bücher