Enwor 2 - Die brennende Stadt
genau, was er erwartet hatte — eine Art Scheiterhaufen vielleicht, eine gewaltige, glühende Ruine, die Flammen und Asche und glühendes Magma in den Himmel spie —, aber der Anblick lahmte ihn. Die Stadt war unter einer gewaltigen Glocke aus Flammen und Hitze begraben, eine Halbkugel aus Feuer, aus der die Spitzen der Türme wie brennende Finger herausstachen. Aber sie war unbeschädigt. Hinter dem Vorhang aus Glut, den der Atem der Götter über sie gebreitet hatte, war sie unbeschädigt, schimmernd und glänzend wie am ersten Tag, gewaltig, erschreckend und gleichzeitig schön wie unbeschreiblich häßlich, ein Monument der Macht, dem nicht einmal die seit Jahrtausenden brennenden Flammen des Götterfeuers etwas hatten anhaben können. Die Erbauer Combats hatten sich gegen die Götter aufgelehnt und waren vernichtet worden, aber ihr Werk hatte sie überdauert. Der Atem der Götter hatte ihre Stadt mit Flammen überzogen, die so lange brennen würden, wie die Sonne am Himmel stand und die Welt sich drehte, aber nicht einmal sie hatten ihre Kraft brechen können. Combats Macht war gebändigt, aber sie war noch da, spottete selbst den Gewalten, welche die Berge in ihrem Rücken aufgefaltet und die Ebenen von Tuan zu brüchigem Glas verschmolzen hatten, und wartete auf den Tag, an dem irgend jemand kam, sie wieder zu erwecken. Skar begriff plötzlich, warum Vela vor nichts zurückgeschreckt war, sie herherzubringen. Wer immer die Gewalt über dieses Fanal der Macht hatte, beherrschte die Welt.
Schließlich war es Gowenna, die das Schweigen brach.
»Wir sollten weitergehen«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte. »Der Abstieg wird noch den ganzen Tag dauern. Wir… haben Zeit genug, die Stadt zu betrachten.«
Skar löste sich nur mit Mühe von dem Anblick. Er wandte sich um, ging langsam zu seinem Pferd zurück und zog sich mit sichtlicher Anstrengung in den Sattel. Der Wind war stärker geworden und trug jetzt Brandgeruch mit sich, und die Felsen in ihrem Rük-ken spiegelten das flackernde Rot des Feuers wider. Er zwang sein Tier herum, deutete mit einer befehlenden Geste auf den südlichen Rand des Plateaus und ritt los, ohne auf die anderen zu warten. Es gab nur diesen einen Weg hinunter, einen schmalen, vielfach gewundenen Pfad, gerade breit genug für einen einzelnen Reiter, und es bestand keine Gefahr, daß einer zurückblieb oder sich verirrte.
Er ritt schneller, als es angebracht war. Der Pfad war, obwohl glatt und mit erstaunlich wenig Geröll und Schutt übersät, nicht ungefährlich. Der Boden war abschüssig, und die Hufe der Pferde fanden auf dem Fels kaum Halt. Skars Pferd tänzelte mit kleinen, ängstlichen Schritten vorwärts und warf immer wieder den Kopf hoch, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Schließlich gestattete Skar dem Tier, langsamer zu gehen. Der Weg ins Tal hinab war weit. Das Plateau, auf dem der Stollen endete, lag dicht unter der Spitze des Berges, mehr als anderthalb Meilen über den höchsten Türmen der Stadt, und der Weg, der sich in endlosen Kehren und Schleifen talwärts zog, hatte sicherlich die zehnfache Länge. Außerdem mußten sie mit ihren Kräften haushalten. Er hatte nicht die Zeit, die Männer noch tagelang ausruhen zu lassen, bevor sie in die Stadt eindrangen, und die Hitze dort unten verbot ein Übernachten unmittelbar vor Combat von selbst, so daß ihnen auch am nächsten Tag noch ein anstrengender und vermutlich kaum weniger qualvol-
ler Marsch bevorstand.
Es wurde wärmer, je tiefer sie kamen. Die Sonne kletterte rasch zum Zenit hinauf, aber ihr Licht verblaßte gegen die Höllenglut Combats zu einem trüben Schimmer. Das sanfte Grollen, das sie zuerst gehört hatten, steigerte sich allmählich zu einem dumpfen, grollenden Donnern: ein Geräusch wie von einem fernen Wasserfall, das den Fels unter ihren Füßen zum Vibrieren brachte. Trotz der Wärme gab es hier und da noch Schnee — kleine, in Felsspalten und Risse geduckte Nester, aber auch weite, ausgedehnte Flächen, die dem Ansturm des warmen Windes, der aus dem Tal heraufwehte, bisher standgehalten hatten, und der Fels war an vielen Stellen zerfurcht und ausgewaschen, als fließe hier oft und viel Wasser. Skar konnte sich den niemals endenden Kampf gut vorstellen —nachts mußten die Temperaturen selbst hier bis tief, sehr tief unter den Gefrierpunkt fallen, trotz des Windes und des glühenden Hauches, den er mit sich brachte; aber mit dem Erwachen des Tages siegte die Wärme, Schnee und Eis
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