Enwor 2 - Die brennende Stadt
ohnehin keiner von ihnen jetzt schlafen können. Nervosität und Furcht hatten sich nicht gelegt, sondern waren im Gegenteil stärker geworden; Combat war kein Schrecken, an den man sich gewöhnen konnte, nichts, das sein Grauen verlor, wenn man nur lange genug hinsah — im Gegenteil. Morgen, spätestens übermorgen würden sie dort drüben sein, inmitten dieses weißglühenden Infernos. Skar hatte eine Zeitlang vergeblich versucht, nicht nach Osten zu sehen, aber die feurige Lohe über dem Horizont hatte ihn bereits in ihren Bann geschlagen.
Der Wind wurde stärker, je weiter sie sich vom Gebirge entfernten. Hatten ihre Pferde zuerst noch eine Spur aus tiefen, aufgeworfenen Löchern im Schnee hinterlassen, so ritten sie jetzt inmitten einer Wolke aus wirbelndem, trockenem Weiß, Schnee, der wie feinkörniger Sand unter ihre Kleidung und in ihr Haar kroch, ihre Atemzüge in kleine Dampfwölkchen verwandelte und die Luft in ihren Lungen brennen ließ. Skar hatte sich wieder in seinen Mantel gehüllt, aber das Fell schien nicht mehr zu wärmen, als hätte sein Körper, einmal aus der Kälte heraus, jegliche Widerstandskraft verloren.
Die Nacht kam schnell und ohne Warnung. Die Sonne versank, verschmolz für einen kurzen Moment mit den brennenden Unter-
Seiten der Wolken und erlosch wie eine Kerzenflamme, deren Docht abgeschnitten wurde. Aber es wurde nicht dunkel. Wie um das Fehlen der Sonne auszugleichen, schien sich die Glut Combats zu verstärken, heller und schmerzhafter zu lodern und den Himmel mit Licht und Feuer und brennendem Rot zu überziehen. Der Schnee reflektierte das Rot der Flammen und verwandelte sich in Blut, erstarrtes, halbgeronnenes-Blut, das an den Beinen der Pferde zerrte und sie festzuhalten versuchte.
Jemand berührte ihn an der Schulter. Es war Arsan. Der Kohoner hatte sein Pferd neben das von Skar gelenkt und deutete nun mit ausgestrecktem Arm nach Osten.
»Der Schnee endet dort vorn!« schrie er, das Heulen des Sturmes übertönend. »Wir sollten bald rasten!«
Skar nickte. Er fühlte sich zwar nicht müde, aber das besagte nichts. Sie würden ihre Kräfte am kommenden Tag brauchen. Er warf Arsan ein aufmunterndes Lächeln zu, sah sich flüchtig nach den anderen um und ritt schneller. Der Schnee hörte wirklich auf, verwandelte sich auf einer Strecke von nicht einmal fünfzig Schritten zuerst in klebrigen, braunen Morast, dann in Wasser, das in winzigen gurgelnden Bächen abfloß und im Boden versickerte. Gleichzeitig wurde es merklich wärmer, als überschritten sie eine unsichtbare Grenze. Der Wind wehte immer noch eisig und schneidend vom Gebirge herab, aber Skar spürte jetzt den warmen, schon fast unangenehmen Hauch des Feuers auf Gesicht und Händen.
Von hier unten, vom Tal aus, konnten sie die Stadt deutlicher erkennen. Noch waren sie Meilen von ihrer äußeren Begrenzung entfernt. Die Flammen wuchsen, wie auch die Stadt, zum Zentrum hin an, verwandelten sich von einem glosenden, flackernden Teppich am Rande zu einer brüllenden Feuersäule über dem Zentrum der Stadt, bildeten einen gigantischen, Meilen hohen Turm aus Glut und waberndem Licht, der gierig nach den Unterseiten der Wolken zu lecken schien. Es sah aus, als brodele vor ihnen ein ungeheurer Pilz aus Flammen.
Skar ließ anhalten, als sie endgültig aus dem Schnee heraus waren. Der Boden war zerfetzt, mit großen, gezackten Kratern und Löchern, bodenlosen Schlünden und bizarren Felstrümmern übersät, eine Alptraumlandschaft, die durch das flackernde Licht und das Brüllen des Feuersturmes noch unheimlicher wirkte. Skar gefiel der Gedanke, sie bei Nacht zu durchwandern, überhaupt nicht. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, daß irgend etwas Lebendes freiwillig in dieses Labyrinth vordrang, aber das Gelände selbst war Gefahr genug. Es gab unzählige Risse, jäh aufklaffende Spalten und Fallgruben, und das unablässig wechselnde Licht machte es fast unmöglich, weiter als zwei oder drei Schritte zu sehen.
Er zwang sein Pferd herum, ritt zu Gowenna, die wie immer zusammen mit den Sumpfmännern das Ende der Kolonne bildete, zurück und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Stadt.
»Wie weit ist es noch bis zu diesem Gang?« fragte er.
Gowenna sah sich einen Augenblick unschlüssig um, als fiele es ihr schwer, sich auf Einzelheiten zu besinnen. »Nicht. . . mehr weit«, sagte sie schließlich. »Zwei Meilen. Vielleicht drei. Aber der Weg ist schwierig.«
»Eben«, sagte Skar. »Es wäre besser, wenn wir hier
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