Enwor 2 - Die brennende Stadt
waren. Sie konnte ihn zwingen. Und sie würde es tun, wenn er ihr keine andere Wahl ließ.
Sein Blick wanderte über die schlanke, in fließendes Grau gekleidete Frau. Sie wirkte zart, beinahe zerbrechlich, aber gleichzeitig auch fast übermenschlich stark und kraftvoll. Sie stand keinen halben Schritt vor ihm, und doch war in ihrem Gesicht nicht das geringste Anzeichen von Furcht oder Respekt zu lesen. Skar war es gewohnt, die Leute bei seinem Auftreten zusammenfahren oder zurückweichen zu sehen, nicht nur, weil er ein Satai war, sondern schlicht wegen seiner imponierenden Gestalt. Er überragte Vela um anderthalb Haupteslängen, und er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, wie furchteinflößend sein zernarbtes Gesicht auf jemanden wirken konnte, der ihn nicht kannte. Nichts von alledem war bei Vela zu bemerken. Im Gegenteil — je länger er ihrem Blick ausgesetzt war, desto schwächer und unsicherer begann er sich zu fühlen. Es war kein Duell mehr zwischen Skar und Vela, sondern zwischen dem, was sie verkörperten — einem Sara; und einer Errish, einer Frau, deren Wort Befehl war, und einem Mann, der geschworen hatte, sich keinem Befehl zu beugen, der gegen sein Gewissen ging. Es war ein Kampf zwischen zwei Weltanschauungen, und die eine wie die andere war nie in Frage gestellt worden.
Und er wußte plötzlich, daß er diesen Kampf verlieren würde.
Es war nicht das erste Mal, daß er einer der Grauen Hüterinnen gegenüberstand. Aber es war das erste Mal, daß er begriff — oder zu begreifen begann —, was sie wirklich waren.
»Es ist... unmöglich«, sagte er nach einer Ewigkeit. Seltsamerweise schien ihm das Sprechen mit einem Mal Mühe zu bereiten.
Die "Worte kamen schleppend, langsam, als gäbe es da etwas in seinem Inneren, das ihn gegen alle Vernunft hindern wollte, sie auszusprechen. »Ich ... kann es nicht. Sucht Euch einen anderen.«
Velas Blick wurde hart. »Überlegt Euch Eure Antwort gut, Satai«, sagte sie spröde.
Skar raffte alle Kraft zusammen, die er noch aufbringen konnte.
Er spürte, daß er nicht mehr lange standhalten würde. Er hatte sich einen Kampf aufzwingen lassen, dem er nicht gewachsen war, ein Duell, das mit ihren Waffen und nach ihren Regeln geführt wurde und das er vom ersten Augenblick an verloren gehabt hatte. Er mußte weg. Sofort.
»Die Antwort ist nein«, sagte er noch einmal. »Ich gebe Euch mein Wort als Satai, daß nichts von dem, was ich hier erfahren habe, jemals über meine Lippen kommen wird, aber das ist auch schon alles. Es tut mir leid.«
Vela nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Ich ahnte, daß Ihr so entscheiden würdet«, sagte sie bitter. »Ich glaube, ich wäre fast enttäuscht gewesen, wenn es anders gekommen wäre.«
»Warum habt Ihr mich dann rufen lassen?«
»Ich wollte Euch eine Chance geben, Skar«, antwortete Vela ruhig. »Ich wollte fair sein. Vielleicht ein Fehler, aber ich war es mir schuldig. Mir und Euch.« Sie brach ab, schwieg einen Moment und bückte sich dann mit einer raschen Bewegung nach ihrem Umhang. »Geht jetzt«, sagte sie. »Geht und denkt über meine Worte nach.
Ich werde Gowenna vor dem Kampf zu Euch senden.« Sie streifte das Cape über, ging an ihm vorbei zur Tür und drehte sich noch einmal um, ehe sie das Zimmer verließ.
»Aber bedenkt eines, Skar«, sagte sie sehr langsam, sehr leise und sehr ernst. »Dieses Mal komme ich noch als Bittstellerin. Das nächste Mal fordere ich.«
Sie brauchten den Rest des Tages, um den Fuß des Gebirges zu erreichen. Es wurde wieder kälter, und als sie mit Einbruch der Dämmerung den Pfad verließen und sich ostwärts in Richtung Combat wandten, befanden sie sich unversehens wieder in einer Landschaft aus Schnee, Kälte und bizarren Eisgebilden.
Der Sog des Feuersturmes über Combat trug die heiße Luft weit in die Höhe, ehe sie sich zu verteilen begann und mit ihrer Wärme Eis und Schnee der Schattenberge abschmolz. Hier unten war es kalt, noch kälter als oben in den Bergen.
Skar ließ die Gruppe trotz der vorgerückten Stunde weiterreiten. Bisher hatten sie stets Rast gemacht, sobald die Sonne unterging, um am nächsten Morgen mit dem ersten Schimmer des Tageslichts weiterzuziehen, aber er sah sich jetzt gezwungen, von diesem Schema abzuweichen. Ihr Vorrat an Brennmaterial war aufgebraucht, und nicht einmal Tantor konnte ohne Holz Feuer und Wärme herbeizaubern. Eine weitere Nacht bei Eis und Schnee würden sie nicht überstehen. Zudem hätte
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