Enwor 2 - Die brennende Stadt
dienen können. Trotzdem bewegte sich Gowenna so sicher, als wäre sie in dieser Umgebung zu Hause.
Es folgte ein weiterer Gang; Treppen, die in neue Säle und Kammern mündeten und wieder Gänge — ein monotones Labyrinth voller Dunkelheit und Kälte. Skar begann mit jedem Schritt intensiver zu spüren, wie tot dieses gewaltige Gebäude war, eine Ruine trotz seiner äußerlichen Unversehrtheit, nichts als ein gewaltiges Grab, in dem die Träume eines ganzen Volkes beigesetzt worden waren. Sie hatten ein gewaltiges Ziel verfolgt, die Herren Combats, aber alles, was geblieben war, war Odnis und Leere, ein ungeheures Monument gescheiterter Macht, so gewaltig, daß es sich in seiner Größe ad absurdum führte. Sie hatten nach Vollkommenheit gestrebt, Macht nicht nur über diese Welt, sondern vielleicht über die ganze Schöpfung zu gewinnen, und die Strafe, die sie getroffen hatte, entsprach der Größe ihres Vorhabens. Mit einem Mal war Skar sicher, daß es nicht der Magie ihrer Erbauer zu verdanken war, daß Combat dem Feuer der Götter all die Zeit widerstanden hatte, sondern daß es Absicht war, ein Sterben, das nicht in Augenblicken, sondern in Jahrtausenden ablief, eine stumme, flammende Mahnung an alle, die gleich diesem Volk die Macht der Schöpfung herausfordern wollten.
»Wir sind da.« Gowennas Stimme schien in dem niedrigen Gang ein seltsames, verzerrtes Echo hervorzurufen, ein Echo, als klängen im Hintergrund dünne, böse Kinderstimmen.
Der Gang endete in einem runden, hohen Raum. Die Wände waren vom gleichen matten Schwarz wie der Rest des Gebäudes, aber sie waren hier nicht mehr kahl, sondern mit verschlungenen, scheinbar sinnlosen Mustern und Zeichen übersät. Das Licht war anders hier, auch grau und flackernd, aber von raschen, dünnen Blitzen orangeroter und weißer Helligkeit durchzogen, als brenne irgendwo über ihren Köpfen ein Feuer. Aus dem Zentrum der Halle wuchs eine gewaltige runde Säule aus poliertem schwarzem Stein. Gowenna deutete mit einer Kopfbewegung darauf. »Die Treppe.« Skar blieb stehen, sah sich rasch nach beiden Seiten um und legte den Kopf in den Nacken. Die Decke verlor sich in grauem Dunst, durch den ab und zu greller Feuerschein blitzte.
»Was ist dort oben?« fragte er.
Gowenna zögerte merklich mit der Antwort. »Ich ... weiß es nicht.« gestand sie. »Ich bin niemals weiter als bis hierher gekommen. Aber der Altarraum muß dort sein. Es ist der einzige logische Ort.«
»Logisch?« Skar lachte ungläubig. »Was ist an dieser Stadt schon logisch, Gowenna?« Er schüttelte den Kopf, ging weiter und umrundete die Säule; langsam, angespannt, mit der Rechten auf dem Schwertgriff, jederzeit auf einen Angriff gefaßt. Dieser Raum war nicht so leer, wie er schien, das spürte er. Irgend etwas war hier oder vielmehr dort drinnen, im Inneren der Säule, etwas, das auf sie wartete, ein geduldiges, stummes Ding, lauernd und böse.
»Du hast recht«, murmelte er. »Er ist hier.«
Gowenna zuckte zusammen. Für einen Moment spiegelte ihr Gesicht Schrecken, Schrecken und noch etwas anderes wider, das er unter der Maske aus Blut und Ruß auf ihren Zügen nicht genau erkennen konnte. Haß?
Der Eingang befand sich auf der anderen Seite der Säule, ein niedriger, runder Spalt, kaum breit genug für einen erwachsenen Menschen.
»Wo sind die anderen?« fragte er.
»Dort drinnen.« Gowenna trat zögernd an ihm vorbei, legte die Hand auf den schwarzen Stein der Säule und verharrte einen Moment. Skar sah, daß ihre Finger zitterten. Ihre Augen waren angstvoll geweitet, als sähe sie in den wogenden Schatten dort drinnen etwas unbeschreiblich Schreckliches.
»Gehen wir.« Diesmal war ihre Stimme verzerrt, und es waren nicht die Echos, die sie von Angst durchwoben erscheinen ließen. Aber Skar verzichtete auf die Frage, die ihm auf der Zunge lag. Hinter Gowenna betrat er den Treppenschacht. Gerrion, Arsan und die beiden anderen Sumpfmänner hockten auf den untersten Stufen der breiten, ausgetretenen Treppe und unterhielten sich leise. Sie wirkten frischer und kräftiger, als er erwartet hatte. Auch ihre Kleider und Gesichter waren versengt und geschwärzt von Ruß und Asche, aber sie schienen ohne ernsthaftere Verletzungen davongekommen zu sein.
Gowennas Verhalten änderte sich schlagartig, als sie den anderen gegenübertrat. Innerhalb von wenigen Sekunden verschwand auch das letzte Anzeichen von Schwäche oder Furcht, und sie war wieder die kühle, selbstbewußte Führerin,
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