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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und geschützt durch den Panzer aus Glas und geschmolzenem Stein, der über ihm lag.
    »Gehen wir«, murmelte er. »Hier ist nichts.« Er sprach leise, und doch erfüllten seine Worte den Raum mit bizarrem kicherndem Leben. Dies war kein Ort, an dem Menschen sein sollten. El-tra stand auf und drehte sich um, blieb aber noch einmal stehen und sah zu einer Stelle neben der zerborstenen Seitenwand. Etwas Dunkles, ungeheuer Massiges und Großes ragte halb aus dem erstarrten Glas.
    Skar trat zögernd näher. Es war schwer zu erkennen,
was
sie eigentlich vor sich hatten; sein Blick schweifte immer wieder ab, und er mußte seine Augen bewußt zwingen, hinzusehen.
    Das Ding hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Menschen. Es war größer, sehr viel größer, und auf schwer zu beschreibende Art massig, von der Wucht und Unaufhaltsamkeit einer Naturgewalt. Es mußte eine Statue sein, irgendein blasphemischer Gott, den die Menschen, die hier gelebt hatten, angebetet und in Stein oder Eisen geschaffen hatten. Es war schwarz, eine Farbe wie uraltes, glänzendes Horn, und obwohl es in einer halb kauernden, aufspringenden Haltung in die Wand eingebettet war, sah Skar, daß es aufgerichtet weit über drei Meter messen mußte. Sein Körper war vollkommen in eine glatte Rüstung gehüllt, aus deren Schultern, Knien und Ellbogen fingerlange, reißende Dornen wuchsen. Seine Pranken waren groß wie Skars Kopf; fürchterliche Klauen mit fünf Fingern und zwei gegeneinander gerichteten, kräftigen Daumen. Das Gesicht war abgewendet; Skar konnte es nicht erkennen.
    »Was ... was ist das?« flüsterte er. Seine Stimme bebte, erschüttert von einer Furcht, gegen die er hilflos war. »Ein Lebewesen?« El-tra schüttelte den Kopf; eine rasche, abgehackte Bewegung, die zu rasch kam, um wirklich eine Antwort auf Skars Frage sein zu können. Der Sumpfmann wußte sowenig wie er, ob dieses Ungeheuer jemals gelebt hatte oder nicht. Er wollte es nicht. Ein Ding wie dieses
durfte
niemals gelebt haben.
    Skar streckte zögernd die Hand aus und berührte die vorgestreckte Klaue des Ungeheuers mit den Fingern. Die Bewegung kostete ihn unglaubliche Überwindung; in ihm blitzte plötzlich die Vision auf, daß dieses Ding im gleichen Moment, in dem er es berührte, wieder zum Leben erwachen, sich mit einem brüllenden Schrei aus seinem gläsernen Gefängnis befreien und über ihn und den Sumpfmann herfallen würde. Und doch, obwohl es seiner ganzen Kraft bedurfte, die Bewegung zu Ende zu führen, war da noch etwas anderes in ihm, etwas, das ihn zwang, die Statue anzustarren, sie zu berühren.
    Sein dunkler Bruder ... Es war das erste Mal seit dem Kampf mit Del und der
Errish,
daß sich die unsichtbare Stimme in ihm wieder meldete, nicht mit Worten oder Gefühlen diesmal, sondern als sanfter, auf morbide Weise beinahe wohltuender Druck, körperlos und nur als das Wissen, da zu sein.
    Skars Finger glitten über die Krallenhand der Statue, glitten an ihrem Arm hinauf und verharrten, als er gegen die wasserklare Wand aus Glas stieß, in die das Ungeheuer zum Großteil eingebettet war.
    »Was ist es?« fragte El-tra. »Eisen?«
    Skar schüttelte den Kopf. Er war sich nicht sicher — vielleicht lag es an den verzerrten Echos, die die glitzernden Wände zurückwarfen, vielleicht an seiner eigenen Nervosität —, aber er glaubte fast so etwas wie Furcht in der Stimme des Sumpfmannes zu verspüren; ein Gefühl, von dem er bisher nicht einmal gewußt hatte, daß die Schattenmänner es kannten.
    »Nein«, antwortete er nach einer Weile. El-tra schien eine weitere Erklärung zu erwarten, aber Skar schwieg. Es war kein Eisen, weder Eisen noch Stein — das Material sah aus wie Horn, und es fühlte sich an wie Horn, Horn oder vielleicht Knochen. Nichts an der Rüstung, die der Gigant trug, schien geschmiedet oder auf andere Weise bearbeitet worden zu sein. Seine Formen wirkten, obwohl gewaltig und fremder als alles, was er jemals zu Gesicht bekommen hatte, auf schwer zu bestimmende Art natürlich.
Gewachsen.
    Skar zog die Hand so hastig zurück, als hätte er unvermittelt glühendes Eisen berührt. Mit einem schnellen Schritt trat er neben El-tra und deutete auf die Treppe.
    »Wir sollten gehen«, sagte er noch einmal.
    Diesmal widersprach der Schattenmann nicht, und als Skar in das wogende Nebelgesicht unter der Kapuze blickte, erkannte er Furcht, Furcht, die ebenso tief und vielleicht tiefer als seine eigene war. Es war nicht das, was sie
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