Enwor 3 - Das tote Land
unregelmäßigen, blakenden Kugel aus flackernder Helligkeit, an deren Rändern ein beständiger verzweifelter Kampf zwischen Licht und Finsternis zu toben schien.
Als er das Ende der Treppe erreichte, war seine provisorische Fackel zur Hälfte heruntergebrannt. Der Griff des
Tschekal
begann sich bereits spürbar zu erwärmen. In wenigen Augenblicken würde er so heiß sein, daß Skar ihn nicht mehr halten konnte.
Skar zögerte einen Moment, riß einen weiteren Streifen von seiner Decke und setzte auch ihn in Brand.
Skar schloß geblendet die Augen, als der Stoff hell aufloderte, hob instinktiv die Hand vor das Gesicht und ließ den Streifen fallen, der wie ein glühender Feuerschmetterling zu Boden flatterte und dort weiterbrannte.
Im ersten Moment hatte Skar das Gefühl, sich im Inneren eines gewaltigen, in Millionen und Abermillionen verschiedenförmiger Facetten geschliffenen Kristalls zu befinden. Die Wände des Kellerraums bestanden aus Glas, wie der Boden über ihm, aber anders als er waren sie von kristallener Klarheit; blitzendes Eis und Kaskaden von sprühendem, mitten in der Bewegung erstarrtem Wasser, in denen sich das Licht der Flammen millionenfach brach und spiegelte.
Für einen Moment hatte er das Gefühl, als ob der Boden unter seinen Füßen bebte, aber dann merkte er, daß er es war, der wankte, unter dem plötzlichen Ansturm von Licht und Helligkeit zurücktaumelte wie unter einem Schlag. Er blinzelte, schloß die Augen und öffnete sie erst nach Sekunden vorsichtig wieder. Der Anblick war bizarr, erschreckend und faszinierend zugleich.
Sie standen am Eingang einer niedrigen, aber weitläufigen Kuppelhalle. Der Boden war eben, oder war einmal eben gewesen, bevor er sich wie ein gewaltiges Tier in zuckenden Krämpfen gewunden hatte und dann wieder erstarrt war. Eine der Seitenwände war geborsten, die Steine in einer gefrorenen, zeitlosen Explosion in den milchigweißen Schwaden gefangen. Gläserne Stalaktiten wuchsen von der Decke herab, und da und dort spannten sich dünne, durchbrochene Netze wie verwunschene Spinnweben durch den Raum. Skar glaubte für einen kurzen Moment im Widerschein des Feuers die ungeheure Glut zu spüren, die diesen Raum einmal erfüllt haben mußte, Hitze, die Sand zu Dampf und dann zu Glas werden ließ, ein Höllenfeuer, das auf geheimnisvolle Weise noch immer da zu sein schien, als wäre es nie erloschen, sondern gefangen in den weißen, durchsichtigen Schleiern, schlafend, aber noch da.
Skar versuchte sich vorzustellen, wie es gewesen sein mußte: Irgendwann einmal hatten hier Menschen — Menschen oder Götter, aber aufjeden Fall
lebende
Wesen — gelebt. Sie hatten Städte gebaut, Festungen, Burgen, hatten vielleicht Kriege gegeneinander geführt, waren glücklich oder unglücklich gewesen. Und dann war das Ende gekommen; schnell, wahrscheinlich zu schnell, als daß noch irgendeiner überhaupt etwas von dem Unheil spürte, das plötzlich über sie hereinbrach, war die Sonne mit einem einzigen brüllenden Schlag vom Himmel gestürzt, hatte Combat in Brand gesetzt und dieses Land getötet...
Das Geräusch leiser Schritte riß ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf, drehte sich um und sah El-tra nachdenklich an. Das Licht wurde schwächer. Skar streifte den verkohlten Stoff von seinem Schwert, riß wieder ein Stück von seiner Decke und entzündete es. Diesmal war er auf den Ansturm von Licht vorbereitet, aber es schien ihm auch weniger schlimm, zwar noch immer schmerzhaft intensiv, aber nicht mehr so voller Wut wie beim ersten Mal.
El-tra ging stumm an ihm vorbei. Skar konnte die Anspannung, unter der der Sumpfmann stand, spüren. Das Gefühl, beobachtet, belauert zu werden, war hier stärker. Aber er war auch plötzlich sicher, daß sie allein waren. Was sie fühlten, war nichts als ein schwacher Hauch der Vergangenheit. Die Spuren, die die Jahrtausende, ohne auch nur die mindeste Veränderung im Fluß der Zeit zu bewirken, hinterlassen hatten. Sie standen in einem Grab. Und sie fühlten es.
El-tra deutete auf den Boden neben sich und ließ sich auf die Knie nieder. Skar trat neben ihn. Er sah die obersten Stufen einer Treppe, die weiter in die Tiefe führte, hinab in einen Schacht, der von gesprungenem Glas wie von einem gewaltigen Pfropfen ausgefüllt war. Das Gebäude mußte sich auch unter diesem Keller noch fortsetzen, vielleicht Teil eines gewaltigen, Stockwerk um Stockwerk in die Tiefe reichenden Labyrinthes, das noch intakt sein mochte, unversehrt
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