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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stand, dann drehte er sich mit einem Ruck um und wies mit der Spitze seiner Waffe nach Norden. »Wir sollten erst einmal nachsehen, was
dort
ist«, sagte er betont. »Über mich können wir später noch reden.«
    Er hatte mit Widerspruch gerechnet, aber El-tra ließ das Thema ohne ein weiteres Wort fallen und ging weiter. Die Reihe zerfallener Ruinen blieb rasch hinter ihnen zurück, und nach weiteren zwanzig, dreißig Schritten standen sie auf einer vollkommen flachen, glatten Ebene, die sich unversehrt wie ein gewaltiger grüner Spiegel mehr als eine Meile vor ihnen ausbreitete. Der Sturm ließ kleine, wirbelnde Staubschleier und Wolken von Schnee vor ihnen tanzen, und am Himmel flackerten noch immer rote und orangefarbene Lichter, aber vor ihnen war nichts, nichts außer wogendem Chaos und den Schrecken, den sie selbst hineinlegten.
    Zehn, vielleicht zwanzig Minuten standen sie reglos da und blickten in die Unendlichkeit hinaus, gepeitscht von Wind und beißender Kälte. Skar kam sich plötzlich unglaublich klein und einsam vor, lächerlich, eine Ameise, die sich vorgenommen hatte, einen Ozean zu überqueren. Es bedurfte gar keiner Feinde, sie zu töten. Dieses Land selbst würde sie umbringen, ehe sie es auch nur zu einem Zehntel durchquert hatten, würde sie mit seiner ungeheuren Leere erschlagen, das Leben aus ihnen heraussaugen. Vielleicht, dachte er, war es nur erschaffen worden, um leer zu sein, so wie Combat nur erschaffen worden war, um groß zu sein. Vielleicht sollten sie aufhören, einen Sinn darin zu suchen, irgendeine andere Begründung als einfach die, da zu sein. Sie waren Menschen, und es war wohl einer der Grundzüge des menschlichen Charakters, immer und überall nach dem Warum zu fragen. Aber was, dachte Skar, wenn es in diesem Land kein Warum gab? Wenn dies alles hier nicht irgendeinem Plan, einem Muster oder einem bestimmten Zweck folgte, sondern einfach
war?
    Der Gedanke entglitt ihm, zu abstrakt, um wirklich zu Ende verfolgt zu werden, aber er ließ ein seltsames Gefühl von Enttäuschung zurück, eine Leere, die irgendwie mit der sie umgebenden verwandt schien.
    Der Wind wurde stärker. Eine gewaltige Bö riß die wirbelnde Decke aus Schnee und Wolken über ihren Köpfen auf, und für einen Moment loderte Combats Glut so grell, als hätte der gesamte Himmel Feuer gefangen. Ein hoher, klagender Ton mischte sich in das Winseln des Sturmes, und als Skar sich umwandte, glaubte er über der gezackten Schattenlinie des Horizonts einen mächtigen schwarzen Schatten zu erkennen, ein Ungeheuer aus Stein und lodernder Wut, brennend und verzehrt von einem Haß, der Skar wie eine eisige Hand zu berühren schien. Dann verschwand die Vision so rasch, wie sie gekommen war. Nur das helle, klagende Heulen des Sturmes blieb zurück.

A m nächsten Morgen fanden sie den Toten. Sie waren weiter geritten — nicht, wie Skar ursprünglich vorgehabt hatte, unmittelbar nach Sonnenaufgang, sondern eine gute Stunde nach Anbruch des Tages; er hatte keinen Schlaf mehr gefunden, sondern den Rest der Nacht zuerst wortlos neben El-tra, dann mit geschlossenen Augen, aber nichtsdestominder hellwach, auf seinem Lager liegend, und die Müdigkeit war erst bei Anbruch der Dämmerung mit Macht zurückgekehrt. Zudem hatte Gowenna eine sehr unruhige Nacht hinter sich, wohl die schlimmste überhaupt seit ihrem Fortgang von Combat. Sie litt, ganz wie Skar es erwartet hatte, stumm, und nur manchmal im Schlaf entrang sich ihrer Brust ein halblautes, unterdrücktes Echo der Qual, die sie ausstehen mochte. Aber als sie am Morgen die Augen aufschlug, war ihr Blick klar, und Skar erkannte, daß sie das Schlimmste überstanden hatte.
    Trotzdem waren ihre Bewegungen noch fahrig und schwach.
    Das Fieber hatte das bißchen Kraft, das noch in ihr gewesen sein mochte, vollends aufgezehrt, und sie besaß nicht einmal mehr die Energie, aus eigener Kraft in den Sattel zu steigen. Skar und einer der Sumpfmänner mußten ihr helfen. Aber sie würde nicht sterben; jetzt nicht mehr.
    Sie ritten weiter, in der gleichen Marschordnung wie am Tage zuvor: El-tra und Skar an der Spitze, hinter ihnen die Reservepferde, dann Gowenna, gefolgt von dem zweiten Sumpfmann, der sich — wie Skar erst jetzt auffiel — immer so hielt, daß er mit seinem Körper den eisigen Wind auffing und Gowenna so wenigstens einigermaßen schützte. Wie durch ein Wunder hatten sich die Pferde in der kurzen Pause sichtlich erholt und trabten mit neuer Kraft dahin; trotzdem
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