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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sagen wollen, und die Erkenntnis traf ihn mit der Gewalt eines Keulenhiebes. In einer blitzartigen, bizarren Vision sah er sich selbst weiter durch Tuan ziehen, in seinem Kielwasser eine Armee von Monstern und Schrecken auferstehend, die durch seine bloße Anwesenheit aus ihrem äonenlangen Schlaf geweckt worden waren. Er hatte mehr getan, als einen Schatz aus einem Tempel zu stehlen. Er hatte eine Entwicklung in Gang gesetzt, deren Ende er nicht einmal erraten konnte. Plötzlich wußte er, was Gowenna gemeint hatte, als sie sagte, es reiche vollkommen aus, wenn er bei ihr war. Er mußte nichts tun. Er mußte nur da sein, mehr nicht. Er — etwas in ihm — war der Schrei, der Tuan wachrief. Und der Stein der Macht war der Schlüssel, es zu beherrschen. »Ich habe nicht gewußt, was das Wort Macht wirklich bedeutet, bevor ich dieses Land sah«, fuhr Tantor fort. Er starrte an Skar vorbei ins Leere, und es schien ihm auch vollkommen egal zu sein, ob Skar ihm überhaupt noch zuhörte. Er sprach nicht mit ihm, sondern eher in der Art eines Menschen, der sich etwas lange, zu lange Angestautes von der Seele redete. »Weißt du, was ein Mensch anrichten kann, der die Macht hat, einem Land so etwas anzutun?!« Die letzten drei Worte schrie er. Er fuhr plötzlich herum, hieb mit der Faust auf den zu Glas geschmolzenen Boden und starrte Skar aus weit aufgerissenen Augen an. »Du willst wissen, warum ich dir das alles erzähle«, keuchte er. »Ich habe Angst, Skar. Angst vor Vela, aber noch mehr Angst vor dir.«
    »Dann töte mich«, murmelte Skar. Er erschrak selbst über seine Worte, aber sie sprudelten einfach aus ihm heraus, ohne daß er etwas dagegen tun konnte, einfach deshalb, weil sie die einzig logische Konsequenz aus Tantors Worten waren.
    »Töten!« Tantor lachte bitter. »Ich habe daran gedacht«, gestand er. »Lange, Skar. Es hätte auch mich das Leben gekostet, aber das spielt keine Rolle.«
    »Und warum hast du es dann nicht getan?«
    Wieder lachte Tantor, und diesmal klang es eher wie ein Schmerzenslaut. »Weil es nichts ändern würde, Skar«, murmelte er. Er stand auf, zog — plötzlich wieder fröstelnd — seinen Umhang enger um die Schultern und wandte sich zum Gehen. »Weil es nichts ändern würde«, sagte er noch einmal. »Gar nichts.«

K urz darauf zogen sie weiter. Skar wurde, wie zuvor, sorgfältig von den anderen abgeschirmt, und auch Tantor zeigte sich nicht mehr in seiner Nähe. Doch auch das Verhalten der Krieger, die Skar bewachten, schien sich zu ändern
    - vielleicht fiel ihm aber auch jetzt, nachdem Tantor mit ihm geredet hatte, das sonderbare Benehmen der Männer erst auf. Sie bewachten ihn sorgfältig, und zumindest einer, meistens jedoch mehrere, hielten immer eine gespannte und schußbereite Armbrust in Händen. Trotzdem fühlte er, daß er mehr war als ein x-beliebiger Gefangener. Keiner der Männer sprach mit ihm — so wie sie auch nicht miteinander sprachen —, aber er fühlte, obwohl er die Gesichter hinter den schwarzen Masken nicht sehen konnte, ihre halb ängstlichen, halb respektvollen Blicke, mit denen sie ihn maßen, wenn sie glaubten, er merke es nicht.
    Als es heller wurde, konnte Skar mehr von ihrer Umgebung erkennen. Die Hellgor schien mehr zu sein als ein willkürlich entstandener Riß — hier, auf dieser Seite der Höllenschlucht, bot sich Tuan dem Betrachter anders dar als hinter ihrer nördlichen Begrenzung. Der Boden war noch immer mit grünweißem, geschmolzenem Sand bedeckt, und die Ruinen zogen weiter wie stumme schwarze Wächter an ihnen vorüber, aber der glitzernde Panzer aus Glas war hier nicht annähernd so massiv wie weiter im Norden. Immer wieder passierten sie weite, flache Krater, an denen der gläserne Mantel Tuans durchbrochen war und auf deren Grund Erde und Sand — verbrannt und zu schwarzer Asche verkohlt, aber nicht mehr geschmolzen — sichtbar wurden, und manche der Ruinen schienen kaum beschädigt. Und es gab Pflanzen; jedenfalls glaubte Skar anfangs, daß es sich um solche handelte: dünne, glitzernde Büschel, die wie erstarrte Spinnweben aus dem aufgebrochenen Boden wuchsen. Erst nach einer Weile sah er, daß die Gewächse — wenn es sich um Pflanzen handelte — eine ebenso bizarre Verwandlung durchgemacht hatten wie Tuan selbst. Sie schimmerten, je nachdem, wie sich das Licht der Sonne auf ihren Oberflächen brach, grün, manchmal auch weiß oder silbern, aber sie schienen aus Glas oder einer unbekannten wasserklaren Art von

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