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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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als er das Schloß öffnete und den schweren Deckel hochstemmte. Es war seltsam — während der ersten Tage an Bord war er sich beinahe nackt vorgekommen ohne den Waffengurt und seine Insignien als Satai, jetzt war es fast umgekehrt. Er nahm das schmale, in saubere weiße Tücher eingeschlagene Paket heraus, schloß den Deckel der Kiste und begann es — langsamer, als nötig gewesen wäre — auszuwickeln. Die SHANTAR bebte. Von Deck her drangen die gedämpften Stimmen Andreds und der Besatzung in die Kajüte, und die farbigen Heckfenster waren stumpf und blind geworden, so daß in dem kleinen Raum schon eine flüchtige Ahnung der Nacht hereinge-brochen war. Er ging zum Tisch, legte das Bündel darauf und band sich den Gurt um; mit einer raschen, beinahe wütenden Bewegung. Das steife Leder fühlte sich kalt und unangenehm auf der Haut an, und er hatte beinahe vergessen, wie schwer der Gurt war. Aber es war mehr als das Gewicht des Gurtes, das an ihm zerrte. Das breite Lederband mit den zwölf Schlaufen, in denen die fünfzackigen
Shuriken
aufbewahrt wurden, und mit dem fünfstrahli-gen Stern der Satai und der schmucklosen Lederscheide, in der sein
Tschekal
ruhte, war mehr als ein Waffengurt. Mit diesem und dem Stirnband streifte er sich mehr als bloße Schmuck- oder Ausrüstungsgegenstände über, sondern damit wurde er wieder zu dem, was er gewesen war, ehe er die SHANTAR betrat: zu Skar, dem Satai. Er wußte jetzt plötzlich, woher das absurde Gefühl der Furcht gekommen war: Es war Angst gewesen, Angst, wieder zu Skar zu werden. Er war es nicht gewesen die letzten beiden Wochen. Er war ein Mann gewesen, den es nicht gab, und selbst seine Erinnerungen waren ihm — ohne daß er sich dessen bewußt gewesen wäre — wie die eines Fremden vorgekommen. Aber mit seiner endgültigen Verwandlung von Bert zu Skar kamen auch seine wirklichen Erinnerungen. Sie waren in Farben von Leid und Schmerz gemalt, in den düsteren Farben von Tod, Verzweiflung und dem Racheschwur, den er getan hatte. Fast glaubte er wirklich eine körperliche Veränderung zu spüren — ein Strom von Kraft, finsterer, entschlossener Kraf, der plötzlich durch seine Adern rann, eine knisternde, schwer in Worte zu fassende Spannung, die seinen Körper wieder in das verwandelte, wozu er ihn einst selbst gemacht hatte: eine gnadenlose, unbesiegbare Kampfmaschine, ein Ding, das nur zum Töten und Zerstören geeignet war, zu nichts anderem.
    Er schüttelte den Kopf, trat mit einem raschen Schritt ans Luk und öffnete die Verriegelung. Ein heftiger Windstoß traf die Scheibe und riß sie ihm um ein Haar aus der Hand. Er hielt sie fest, stemmte sich gegen den Wind, der sein Gesicht und seine Haare peitschte, und atmete den durchdringenden Salzwassergeruch in tiefen Zügen ein, versuchte, die Gedanken und Erinnerungen dorthin zurückzudrängen, wo sie hergekommen waren.
    Es ging nicht. Seine Vergangenheit war wieder da, endgültig jetzt, und er begriff, daß er ihr niemals wirklich entronnen war, daß alles, was er bekommen hatte, eine kurze Atempause war, wenige flüchtige Wochen, in denen sich sein Körper und vor allem sein Geist von den Strapazen hatte erholen können. Gondered und sein schwarzes Kaperschiff waren nur eine erste Warnung gewesen, das erste höhnische Lachen des Schicksals, mit dem es ihm hatte sagen wollen, daß dieses unmenschliche Spiel noch lange nicht vorbei war, sondern vielleicht erst jetzt richtig begann. Und noch während er diesen Gedanken dachte, drängte sich ein zweiter, schlimmerer, mit unausweichlicher Macht in sein Bewußtsein. Mit dem alten Skar war auch sein Fluch zurückgekehrt. Seit seinem Aufbruch aus Ikne hatte er Tod und Vernichtung verbreitet, hatte er eine Spur von Leid und Tränen hinter sich hergezogen. Jeder, mit dem er zusammengewesen war, war zugrunde gegangen, auf die eine oder andere Weise. Und auch Andred würde keine Ausnahme bilden.
    Und als er dichter ans Luk herantrat und zu den gewaltigen Basaltklippen hinaufblinzelte, sah er den Schatten. Er war so schwarz wie der Felsen und viel zu weit entfernt, als daß er ihn wirklich hätte sehen können, und er existierte in keinem anderen Ort als in seiner Phantasie, aber er war
da.
    Als er das Luk schloß und sich umwandte, hörte sich das Geräusch des Windes für einen Moment wie das Heulen eines Wolfes an.

D ie SHANTAR war das kleinste der fünf Schiffe, die im Hafen von Anchor vor Anker lagen. Skar konnte von seinem Platz hinter den

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