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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und mit den Wochen in Ikne, und ohne daß er es zuerst selbst merkte, wurde seine Rede immer flüssiger, schneller, bis die Worte schließlich nur so aus ihm heraussprudelten. Andred hatte recht gehabt — es tat gut, sich auszusprechen, und auch wenn Andred nicht viel mehr für ihn tun konnte als zuzuhören, spürte er, wie der Druck allmählich von seiner Seele wich. Es war das erste Mal überhaupt, daß er einen Menschen so ins Vertrauen zog, aber er spürte einfach, daß er es mit Andred tun konnte. Er redete länger als eine Stunde und erzählte Andred — mit wenigen Einschränkungen — die ganze Geschichte, ohne daß ihn der Freisegler auch nur einmal unterbrach.
    Es wurde sehr still in der kleinen Kabine, als Skar geendet hatte; selbst das Klatschen der Ruder, die die SHANTAR mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nach Norden trieben, schien leiser geworden zu sein, und das farbige Licht der Bleiglasluken trug dazu bei, die unwirkliche Atmosphäre noch zu verstärken.
    »Das ist eine ... fast unglaubliche Geschichte«, sagte Andred nach einer Weile.
    »Ich weiß.« Skar nickte, nahm sein mittlerweile geleertes Glas und drehte es nachdenklich in den Fingern. Der geschliffene Kristall zerlegte seinerseits das Licht wieder in einzelne Farben und ließ die unzähligen Facetten in allen Nuancen des Regenbogens aufflammen.
    »Und gerade darum bin ich fast geneigt, dir zu glauben«, sagte Andred. »Ich wüßte keinen Grund, warum sich ein Mann wie du eine so haarsträubende Geschichte ausdenken sollte.« Er lachte, aber es war eher ein Laut der Unsicherheit. »Und du glaubst, diese
    - wie hieß sie? Vela?«
    Skar nickte.
    »Du glaubst, diese Vela ist bereits in Elay? In weniger als vier Monaten vom Quellgebiet des Besh hierher?« Der Zweifel in Andreds Stimme war unüberhörbar, aber wie das Lachen zuvor schien auch er gekünstelt und nur dem Zweck dienend, die Furcht, die Skars Erzählung in ihm wachgerufen hatte, zu dämpfen. »Und in dieser Zeit soll sie auch noch die Macht in Elay übernommen haben?«
    »Du hast nicht erlebt, wozu diese Frau fähig ist«, murmelte Skar. »Sie spielt mit Menschen wie mit Puppen. Männer wie Gondered haben ihr nichts entgegenzusetzen. Und dieser verdammte Stein gibt ihr zusätzlich noch die Möglichkeit, alles zu erreichen.« Er seufzte, schüttelte den Kopf und goß sich Wein ein. »Ich bin auf dein Schiff gekommen, weil ich dachte, so noch rechtzeitig in Elay sein zu können. Aber es sieht so aus, als hätte ich mich getäuscht. Sie war vor mir hier, und sie weiß, daß ich sie verfolgen werde. Wahrscheinlich hat sie sämtliche Pässe über die Berge sperren lassen.«
    »Und die Häfen auch«, fügte Andred finster hinzu.
    Skar nickte. »Die Häfen auch. Deshalb mein Vorschlag, vorher an Land zu gehen. Gib mir ein Boot oder meinetwegen nur ein Holzstück, an dem ich mich festhalten und an Land schwimmen kann ...«
    Andred unterbrach ihn mit einer resignierenden Geste. »Das ist unmöglich, Skar. Es sind acht Meilen bis zur Küste, und selbst wenn du den Haien entgehen solltest, würde die Brandung dein Boot an den Klippen zerschmettern. Was glaubst du,
warum
wir so weit von der Küste entfernt segeln. Der Hafen von Anchor ist die einzige Stelle auf hundert Meilen, an der ein Schiff anlegen kann. Du wirst schon an Bord bleiben müssen, bis wir den Hafen erreichen. Wie bist du über die Berge gekommen?«
    Skar hatte für einen Moment Mühe, dem plötzlichen Gedankensprung zu folgen. Er hatte seine Erzählung dort beendet, wo sie die Leichen von Velas Männern und des Drachen gefunden hatten.
    »Gar nicht«, sagte er nach kurzem Zögern. »Gowenna hatte recht — die Pässe waren verschneit, und ich wäre beinahe umgekommen, als ich versuchte, sie trotzdem zu überwinden. Ich kämpfte mich zurück, bis ich den Besh erreichte und einen Flußschiffer fand, bei dem ich eine Passage erstehen konnte. Für mein letztes Geld«, fügte er grinsend hinzu. »Deshalb mußte ich dir auch die Fahrt hierher abbetteln.« »Was deinem Stolz als Satai natürlich einen ungeheuren Abbruch getan hat«, fügte Andred in einer Mischung aus Ernst und gutmütigem Spott hinzu.
    Skar schüttelte den Kopf. »Nein, Andred. Mein Stolz ist auf den Ebenen von Tuan erfroren. Ich ... ich glaube nicht, daß ich wirklich noch Satai bin.«
    Auf Andreds Gesicht erschien ein überraschter Ausdruck. »Das klingt sehr verbittert, mein Freund«, sagte er. »Glaubst du wirklich, daß es sinnvoll ist, sein Leben

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