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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufstehen?«
    Skar nickte, setzte sich gerade auf und sah zu dem gekrümmten Ausschnitt der Höhlendecke hinauf, der durch die Tür sichtbar wurde. Er spürte, wie neue Kraft in seine Glieder strömte, aber er wußte auch, daß dieses Gefühl trog. Es war geliehene Stärke, Kraft, die zu nutzen verboten und gefährlich war. Was er jetzt verbrauchte, war nicht die Kraft, die seine Beine und Arme bewegte und sein Herz schlagen ließ, sondern die Kräfte des Lebens selbst, die Energien, die die Flamme in seinem Inneren weiterbrennen ließen. Skar wußte, was geschehen würde, wenn er sich ihrer zu lange bediente. Er hatte es gesehen, hier, bei diesem Haufen Verdammter, die ihn und Yar-gan begleiteten, in Kämpfen und auf dem Marsch durch Nacht und Eis, unzählige Male: ein letztes Aufbäumen, jener kurze, beängstigende Ausbruch von Kraft und oft genug Raserei, der einen Mann manchmal zu unglaublichen Leistungen befähigen konnte. Und ihn tötete.
    Yar-gan stand schweigend auf, trat gebückt durch den Durchgang und ging mit zwei, drei raschen Schritten auf die Barriere aus Eiszak-ken zu. Skar folgte ihm, langsamer und in großem Abstand. Sein Herz begann erneut schneller zu schlagen, als er neben den Sumpfmann trat und die Hände auf die natürlich gewachsene Balkonbrüstung legte.
    Er wußte nicht, was er erwartet hatte — eigentlich nichts, nicht nach allem, dem sie begegnet waren. Cor-ty-cor entzog sich seinen Erwartungen, war eine Welt, in der die Phantasie des Menschen nach einer Weile kapitulierte und es aufgab, sich ausmalen zu wollen, wie etwas Bestimmtes aussehen,
sein
würde. Trotzdem lähmte ihn der Anblick für Minuten. Aber es war diesmal nicht seine Fremdartigkeit, sondern gerade das Gefühl des Vertrauten, Bekannten, das das Bild in ihm weckte.
    Der Balkon lag weniger als fünf Meter über dem Boden, und es war kein Balkon, nichts künstlich Geschaffenes, sondern einer von zahllosen Vorsprüngen und Erkern, die die Natur willkürlich über die Wände verstreut hatte, als sie diese zyklopische Höhle erschuf, nur nachträglich geglättet und mit einer Brüstung versehen. Die Höhle selbst war gigantisch — eine kuppelförmige Blase aus zernarbtem braungrauem Fels, deren Wände nicht einmal das geduldig vorrük-kende Eis vollkommen bedecken konnten. Ihr höchster Punkt mußte annähernd eine halbe Meile über ihren Köpfen liegen. Skar war verwirrt, aber auch erleichtert, auf eine schwer zu beschreibende Art. Wenn dies wirklich ein Teil der Stadt war, deren erstarrten Leichnam sie durchquert hatten, so einer, der von ihren Erbauern unverändert von der Natur übernommen und für ihre Zwecke nutzbar gemacht worden war. Obwohl die Kälte und der scharfe, durchdringende Geruch des Salzwassers wie kleine scharfe Messer in seine Kehle schnitten, hatte er plötzlich das Gefühl, zum ersten Mal seit Tagen wieder frei atmen zu können. Der die ganze Zeit auf seinen Gedanken und seiner Seele lastende Druck wurde schwächer.
    »Was, glaubst du, ist das hier?« fragte Yar-gan. Skar verstand die Worte, obwohl er ihn nicht angesehen und der Sumpfmann mit Dels-menschlicher- Stimme geredet hatte. Der finstere Zauber Cor-ty-cors war hinter ihnen zurückgeblieben. »Jedenfalls kein Eis«, antwortete Skar mit einer Heiterkeit, die ihn selbst erstaunte. Er seufzte. »Ich habe schon angefangen zu glauben, daß die ganze Welt aus Eis besteht.«
    Yar-gan lächelte kurz und wurde dann wieder ernst. »Dort drüben scheint die Einfahrt zu sein«, murmelte er. Skar sah in die Richtung, in die der Sumpfmann deutete. Der braune Fels und das Wasser, das geduldig an ihm nagte, saugten das Licht auf und machten es schwer, Einzelheiten zu erkennen; der Blick reichte nicht weit über die Hälfte der steinernen Blase hinaus, und alles, was dahinter lag, waren Schatten und Finsternis. Aber ein Teil dieser Dunkelheit schien tiefer zu sein, nur um eine winzige Nuance; ein noch dunkleres Schwarz auf schwarzem Hintergrund, und als Skar eine Weile hinsah, glaubte er eine Anzahl winziger flimmernder Punkte zu erkennen. Sterne, die auf dem Nachthimmel glitzerten, der hinter dem niedergebrochenen Teil der Höhlenwand erkennbar war. Wenn es so war, dann mußte die Einfahrt gewaltig sein: breit genug, zehn Schiffe von der Größe der SHAROKAAN gleichzeitig hindurchzulassen. Die Vorstellung erschreckte Skar. Dieser Hafen konnte eine Armada aufnehmen, die größer war als alle Kriegs- und Handelsflotten der Welt zusammengenommen.
    »Dort unten ist

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