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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wieder herum.
    Nach allem, was sie durchgemacht hatten, mußte ihm selbst eine Umgebung, die nur um eine Winzigkeit weniger tödlich und fremd war, wie ein Paradies erscheinen, und er wußte, daß das Hochgefühl in ihm trog, unter Umständen sogar ein ebenso gefährlicher Feind wie der böse Geist Cor-ty-cors sein konnte.
    Er blickte erneut und aufmerksamer als beim ersten Mal über das Hafenbecken und den braungrauen porösen Fels, der die kreisförmige Wasserfläche säumte. Es gab keine Kais oder Hafenanlagen in irgendeiner Form, sondern nur ein glattes, vereistes Felsband, das sich am Fuße der Höhlen wand rings um das Wasser zog; nicht mehr als zehn oder zwölf Schritte breit und ohne sichtbare Unterbrechungen. Da und dort entdeckte er weitere Stollen wie den, durch den sie hierher gelangt waren, manche ebenerdig oder auf Vorsprüngen und Balko-nen endend, ähnlich dem, auf dem er stand, andere wie die Einfluglöcher von übergroßen Vogelhöhlen weit oben in der Wand, ohne daß es eine Treppe oder irgendeine andere Möglichkeit zu geben schien, zu ihnen hinaufzugelangen. Aber vielleicht waren sie auch zerfallen in all den Äonen, die vergangen waren, seit sich das Schweigen des Todes über diese Stadt gelegt hatte. Hier draußen war die Zeit nicht stehengeblieben wie in den anderen Teilen Cor-ty-cors. Ihre Spuren waren überall. Der Fels war zernagt von Äonen voller Wind und Salzwasser und Erosion, und im gleichen Maße, in dem sich seine Augen an das unsichere Dämmerlicht gewöhnten, begann er, die Spuren zu erkennen, die das Meer in die Wände gegraben hatte: dunkle, übereinanderliegende Linien, die sich von der Wasserlinie bis fast unter die Decke erstreckten, ein Dutzend oder mehr Markierungen, jede für ein Jahrtausend oder mehr stehend. Der Wasserspiegel des Ozeans mußte sich mehrmals gehoben und gesenkt haben, seit diese Höhle entstanden war. Vielleicht hatte es damals noch nicht einmal einen Ozean gegeben. Vielleicht war sie älter als die Meere, so alt wie diese Welt, eine Narbe, die von ihrer Geburt zurückgeblieben war, und vielleicht hatte es Millionen und Abermillionen Jahre lang hier unten weder Licht noch Laute gegeben, sondern es war ein Universum des Schweigens gewesen, so lange, bis ein Teil ihrer Wand einstürzte und das Meer brausend und schäumend in den Hohlraum schoß. Sie mußte bereits uralt gewesen sein, als die Sternengeborenen sie entdeckten und für ihre Zwecke nutzten.
    Irgendwie beruhigte Skar die Vorstellung. Der Schrecken, den sie in den vergangenen Tagen durchlebt hatten, verlor ein wenig von seiner Macht angesichts der schweigenden Größe dieses unterirdischen Hafens. Vielleicht spielte es gar keine Rolle, was sie taten, dachte er. Vielleicht blieb es sich gleich, ob sie gewannen oder verloren. Ob es die Menschen oder die Erbauer dieser Stadt waren, die für die nächsten hundert oder auch hunderttausend Jahre über Enwor herrschten. Wer immer es wäre, irgendwann würde seine Zeit abgelaufen sein, und irgendwann würde er gehen, und alles würde sein wie vorher. Ein Jahrtausend war eine so lächerlich kurze Zeit für das Schicksal einer Welt. Yar-gan kam mit den ersten Männern zurück, und Skar drehte sich zu ihm um und scheuchte die Gedanken dorthin zurück, wo sie hingehörten. Später, wenn sie die Insel verlassen hatten, war Zeit genug, über die Zukunft dieser Welt nachzudenken. Wenn es ein
Später
für sie gab.
    Er ging Yar-gan entgegen, half ihm jedoch nicht, sondern sah schweigend zu, wie er den Männern beistand, die letzten Schritte zu tun. Skar wußte aus eigener Erfahrung, wie schwer sie waren. Cor-ty-cor wehrte sich gegen das Fremde, aber es hielt auch eifersüchtig diejenigen fest, die ihm einmal ausgeliefert waren.
    »Rasten wir hier, oder willst du gleich weiter?« fragte der Sumpfmann mit einer Kopfbewegung dorthin, wo hinter dem Vorhang aus Dunkelheit und Schatten die Hafenausfahrt lag. Und hinter ihr das offene Meer.
    Skar antwortete nicht sofort. Das beste wäre wohl gewesen, so schnell wie möglich weiterzugehen, die Freisegler auf dem kürzest möglichen Weg aus dieser kälteklirrenden Hölle herauszuführen. Das Beste, und das einzig Logische, überlegte er düster. Aber es ging schon lange nicht mehr um das, was logisch oder gar gut für ihn oder einen der anderen war. Erneut und schmerzhafter als zuvor kam ihm zu Bewußtsein, in welch erbärmlichem Zustand sich die Männer befanden, die den Marsch hierher überlebt hatten — ein paar von

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