Enwor 5 - Das schwarze Schiff
zurück und spiegelte sich rot wie geschmolzenes Gold auf den niedrigen Wellen, aber die Dunkelheit wich trotzdem nur zögernd von den Schiffen; hielt sie eifersüchtig umklammert wie eine finstere Geliebte und verschluckte das Licht der Flamme. Das Meer bewegte sich träge zu seinen Füßen, viel langsamer als draußen, wie es ihm vorkam, als hätten selbst die Gezeiten hier drinnen ihre Macht verloren. Die Wellen brachen sich mit leisen, gluckernden Lauten an den senkrechten Flanken der Schiffe, und ab und zu gelang einem schaumigen weißen Spritzer der Sprung bis zu Skar hinauf. Das Wasser war eisig.
Aber die Schiffe bewegten sich nicht.
Zuerst hatte er geglaubt, es wäre eine Täuschung, ein Trugbild, hervorgerufen durch die Dunkelheit und das tanzende Licht der Fackel, die Bewegung entstehen ließ, wo keine war, und sie umgekehrt verbarg, aber als er näher kam, sah er, daß die Schiffe reglos wie schwarze Riffe im Wasser lagen, der Tide und allen Naturgesetzen trotzend.
Eine Anzahl lächerlich dünner Trossen verband sie mit drei großen eisernen Ringen, die in Kopfhöhe in die Felswand eingelassen waren. Auch die Taue schienen starr, durchgebogen und schlaff, aber starr, etwa wie Holz.
Skar ging zögernd weiter, senkte die Fackel, um mehr Einzelheiten erkennen zu können und berührte eine der Trossen mit der Hand.
Das Seil war versteinert. Die feinen, zu einem Seil verdrillten Hanffasern waren noch genau zu erkennen, jede winzige Unebenheit, jede rauhe Stelle und jeder Kratzer mit fast schon übertriebener Deutlichkeit erhalten, aber es war kein Tau mehr, sondern eine schwarze granitharte Masse, zusammengebacken von Salzwasser und den unzähligen Millenien, die es hier gehangen hatte.
Skar drehte sich um und ging, die rechte Hand auf dem Tau, wie ein Blinder an einem Seil, das ihn führte, auf das Schiff zu. Seine Fackel warf zuckende Lichtreflexe auf den schwarzen Rumpf, aber sie waren hart, glitzernd wie ein Kristall oder Glas, und er wußte, noch bevor er niederkniete und behutsam die Finger nach der niedrigen Reling ausstreckte, daß auch die Schiffe versteinert waren, unlösbar verwachsen mit der Hafenmauer und vermutlich auch dem Meeresgrund.
Tiefe Enttäuschung machte sich in ihm breit. Er hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, mit diesen Schiffen davonsegeln zu können wie mit einem Geschenk des Himmels, aber was er sah, erschien ihm wie ein besonders boshafter Scherz der Natur, eigens dazu erschaffen, ihn zu verhöhnen.
Er stand auf, ging vorsichtig über die durchhängenden Taue hinweg und inspizierte auch noch die anderen beiden Schiffe. Selbst jetzt, als er direkt vor ihnen stand, fiel es ihm schwer, ihre genaue Form und Größe zu bestimmen. Ganz leicht erinnerten sie ihn an den Dronte, aber die Ähnlichkeit war nur oberflächlich und vielleicht nur da, weil er sie sehen wollte.
Skar ging bis zum letzten der drei Boote, starrte einen Moment in die Dunkelheit dahinter und drehte sich dann, enttäuscht und beinahe niedergeschlagen, herum.
Aus der Achterluke des mittleren Schiffes schimmerte Licht herauf.
Skar blieb stehen, senkte seine Fackel und schirmte sie mit der Hand ab, so gut es ging. Aber das Licht blieb: ein schwacher, dunkelroter Schimmer, der durch die Ritzen der nicht völlig geschlossenen Luke heraufdrang, der Widerschein eines Feuers oder einer anderen Fackel, die dort drinnen brannte. Als er das erste Mal an den Schiffen vorübergegangen war, mußte es vom Schein seiner eigenen Fackel überdeckt worden sein, nur ein Lichtreflex unter vielen, die das Jahrtausend der Dunkelheit über diesen Booten durchbrochen hatten. Jetzt sah er es deutlich.
Skars Gedanken überschlugen sich für einen Moment. Sein Blick irrte zurück zu der Stelle, an der Del und die anderen auf ihn warteten, tastete — beinahe angstvoll — wieder über den schwarzen Rumpf des versteinerten Schiffes und blieben erneut an dem schmalen Streifen trübroter Helligkeit hängen. Seine Hand legte sich auf das Schwert, er zog die Waffe halb aus dem Gürtel und schob sie wieder zurück. Yar-gans Warnung fiel ihm ein. Er hätte zurückgehen und den Sumpfmann und die Krieger holen müssen. Sie wenigstens warnen.
Statt dessen ging er langsam in die Hocke, legte die Fackel zu Boden - schräg auf das versteinerte Tau gestützt und so, daß sie weder umfallen und erlöschen konnte noch die Flamme das Seil berührte-, richtete sich wieder auf und trat, nach einem weiteren, unmerklichen Zögern, auf das Schiff
Weitere Kostenlose Bücher