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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verschmolzen. Sage mir Bescheid, wenn er zu stark wird.«
    Der Augenblick der Schwäche war vorbei. Yar-gan war wieder er selbst, der starke, unnahbare Sumpfmann, ein Wesen, das auf seine Weise so fremd und unmenschlich zu sein schien wie die, die diese Stadt erschaffen hatten. Aber für einen kurzen, ganz kurzen Moment hatte Skar einen Blick hinter die Maske des Sumpfwesens getan, und seltsamerweise erschien er ihm jetzt menschlicher als zuvor. Ohne ein weiteres Wort schwang er sich auf die niedrige Brüstung, balancierte einen Moment auf dem Eis und sprang federnd in die Tiefe.
    Der Aufprall war weniger hart, als er gefürchtet hatte. Sofort rollte er sich instinktiv zusammen und überschlug sich zwei-, dreimal, ehe er mit einer geübten Bewegung wieder auf die Füße kam. Sein eigener Schwung riß ihn abermals vorwärts, und um den Sturz abzufangen, rollte er über die Schulter ab. Er prallte unsanft gegen die Wand und blieb einen Moment lang mit geschlossenen Augen liegen, lauschte in sich hinein und suchte seinen Körper nach neuen Verletzungen und Schmerzen ab, wie er es gelernt hatte. Dann stemmte er sich hoch und sah zu Yar-gan hinauf. Der Boden fühlte sich seltsam weich und nachgiebig unter seinen Fingern an, gar nicht wie Fels, sondern wie zähes Leder. Er achtete nicht darauf.
    »Alles in Ordnung?« Die Stimme des Sumpfmannes hatte hier, obwohl er kaum fünf Meter unter ihm stand, einen völlig anderen Klang: dünn und bleich, halb verschmolzen mit dem Flüstern und Murmeln der Brandung und beinahe geisterhaft. Seine Gestalt hob sich nur noch als dunkler Schatten über dem Eis ab.
    Skar nickte und hob wortlos die Hand. Yar-gan setzte die Fackel in Brand, schwenkte sie ein paarmal hin und her, bis die Flamme in dem feucht gewordenen Holz genügend Nahrung gefunden hatte und hell loderte, und warf sie zu ihm herab. Skar versuchte sie aufzufangen, aber er griff daneben; sie prallte dicht vor seinen Füßen auf den Boden, hüpfte wie ein Gummiball davon und verzischte im Wasser. Beim zweiten Versuch hatten sie mehr Glück. Skar bekam die Fackel zu fassen —wenn auch am falschen Ende — verbrannte sich jämmerlich die Finger und wechselte das brennende Holz fluchend in die andere Hand.
    Yar-gan lachte schadenfroh, aber es war auch ein hörbarer Unterton von Sorge darin. Skars Griff war nicht nur ein Mißgeschick gewesen, sondern ein deutliches Zeichen, wie sehr seine Konzentration bereits nachgelassen hatte. »Eine Stunde«, rief der Sumpfmann. »Wenn du bis dahin nicht zurück bist, folge ich dir.«
    Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, mein Freund,
dachte Skar,
brauchst du das nicht. Dann gibt es niemanden mehr, dem du folgen müßtest.
Aber er sagte nichts, sondern drehte sich mit einem stummen Kopfnicken um und machte sich mit eiligen Schritten auf den Weg.

E s
waren
Schiffe. Aber sie würden damit nicht zurückfahren können.
    Skar hatte fast ein Drittel der Frist, die Yar-gan ihm zugestanden hatte verbraucht, um das Hafenbecken soweit zu umrunden, daß aus den gedrungenen flachen Schatten, die sie gesehen hatten, zuerst dreidimensionale Körper und dann die Rümpfe von Schiffen geworden waren.
    Schiffe einer Bauart, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie waren groß, sehr groß, dabei aber so flach gebaut, daß ihr Deck nur wenig mehr als einen Fuß über die Wasserlinie hinausragte. Trotzdem waren ihre Rümpfe gewaltig; die Dunkelheit und die spiegelnde Wasseroberfläche machten es schwer, Einzelheiten zu erkennen, aber Skar hatte den Eindruck von etwas Großem, Klobigem, einem Ding wie ein gigantischer schwarzer Wal, das Masten und Aufbauten wie bizarre Flossen und Finnen durch das Wasser des Hafenbeckens in die Luft reckte.
    Die Schiffe mußten seit Jahrtausenden hier liegen, dachte Skar, während er langsam näher an die gewaltigen schwarzen Leiber heranging. Seine Schritte waren — ohne daß er es selbst gemerkt hatte — immer langsamer geworden, und jetzt, eine halbe Pfeilschußweite von den Schiffen entfernt, war er beinahe stehengeblieben. Ein seltsames Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen; keine Furcht, sondern nur das Empfinden von Alter und Größe, einer stummen, erstarrten Macht, die von den drei unförmigen Schatten ausging.
    Vor der Hafeneinfahrt lag noch immer Nacht wie ein schwarzer Vorhang, und die Dunkelheit kroch auf schwarzen Spinnenfüßen zu ihm hinein. Skar hielt die Fackel hoch über den Kopf, und das flak-kernde rote Licht trieb die Schatten ins Wasser

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