Enwor 5 - Das schwarze Schiff
des Bruders, der sich in Zorn auf ihn, den Überlebenden des Kampfes, entlud. Helth machte ihn für Brads Tod verantwortlich. Sie waren zwei gewesen, als sie hinaufstiegen, und er, Skar, war allein zurückgekommen.
Es war nicht einmal nur der Umstand, daß Brad gefallen war. Veden standen mit dem Tod auf du und du, noch mehr als die Satai, und er hatte nichts Erschreckendes oder gar Furchteinflößendes für sie. Aber Skar hätte nicht überleben dürfen. Er hatte kein Recht dazu. Er hätte nicht überleben dürfen. Dadurch, daß er lebte und Brad gefallen war, hatte er seinen Tod — wenigstens in den Augen von Helth — entehrt. Wäre es umgekehrt gewesen, wären Helth und Del dort hinaufgestiegen statt ihm und Brad, und wäre nur Helth allein zurückgekommen, hätte er vielleicht das gleiche gefühlt.
»Wir brauchen kein Mitleid«, preßte Helth noch einmal hervor.
»Brad ist im Kampf gestorben. Es war ein ehrenvoller Tod. Ein Tod, wie ihn sich jeder Vede wünscht.«
»Kampf?« Skar verzog abfällig die Lippen. »Von welchem Kampf sprichst du, Vede? Das, was wir dort oben getan haben, war kein Kampf. Wir haben den Dronte abgeschlachtet wie ein Stück Vieh, Helth. Und einen Tod wie diesen hätte sich niemand gewünscht. Auch dein Bruder nicht«, fügte er betont hinzu. Er sah, wie Helth unter jedem Wort wie unter einem Hieb zusammenfuhr, und er spürte, wie weh sie ihm taten. Aber er empfand plötzlich eine fast sadistische Freude dabei, das Messer noch tiefer in die Wunde zu stoßen und herumzudrehen, und er sprach erbarmungslos weiter. »Niemand wünscht sich den Tod, Junge. Weder einen solchen Tod noch einen anderen. Irgendwann wirst auch du das begreifen, wenn du lange genug lebst.«
Helth wollte auffahren, aber Rayan brachte ihn mit einem raschen Blick zum Schweigen.
»Hör auf, Skar«, sagte er leise. »Ich weiß, daß du recht hast, aber ich bitte dich zu schweigen.«
Skar gehorchte. Er wußte selbst nicht, was ihn dazu gebracht hatte, Helth die Wahrheit so brutal ins Gesicht zu schleudern. Vielleicht, weil er sich selbst schmutzig und besudelt vorkam. Weil es Erleichterung brachte, einen anderen zu schlagen, wenn man selbst Schmerzen litt. Er hielt Rayans Blick einen Herzschlag lang stand, drehte sich um und ging langsam zum Heck und zur Kabine hinunter.
Die Kajüte war leer. Die Kohlebecken an den Wänden waren heruntergebrannt und erloschen, und die Kälte hatte endgültig Einzug in das feuchte Holz der Wände gehalten. Skar blieb einen kurzen Moment lang in der Mitte des niedrigen, großen Raumes stehen und schlurfte dann zum Tisch. Er fühlte sich müde, aber irgendwie war ihm der Gedanke an Schlaf zuwider. Mit dem Schlaf würden die Träume kommen, und er fürchtete sich plötzlich davor zu träumen. Er setzte sich, bettete den Kopf auf die Arme und schloß die Augen.
Aber er schlief nicht ein. Sein Körper schrie nach Ruhe, aber sein Geist revoltierte dagegen. Vor seinem inneren Auge tanzten Bilder: Flammen, Schreie, Brads vor Entsetzen entstelltes Gesicht, obwohl er es nicht gesehen hatte.
Hinter ihm erklangen Schritte, leise, zögernde Schritte. Er richtete sich auf, umklammerte mit den Händen die Tischkante, als müsse er sich daran festhalten, und drehte langsam den Kopf. Er war erschöpft, aber beinahe dankbar für die Störung. Er hätte es jetzt nicht ertragen, allein zu sein.
Es war Gowenna. Er hatte sie oben an Deck nicht gesehen und deshalb vermutet, daß Rayan sie noch nicht wieder auf sein Schiff genommen hatte. Aber die Nacht war lang genug gewesen.
»Du bist wieder zurück?« fragte er.
Sie nickte: »Wenn... wenn du willst, gehe ich wieder.«
Skar lächelte matt. »Bleib.«
Er lehnte sich zurück, starrte einen Moment lang an ihr vorbei gegen die Wand und schloß schließlich die Augen. Jetzt, da er nicht mehr allein war, konnte er seiner Müdigkeit nachgeben.
Er war froh, daß Gowenna nicht gekommen war, um mit ihm zu reden. Sie schien zu spüren, daß er weder allein sein noch reden wollte, und war nur da, um bei ihm zu sein, aus keinem anderen Grund als dem, einfach nur dazusein, ein Mensch, der neben ihm saß und ihm allein durch seine Gegenwart Trost spendete.
Früher, dachte er, hätte Del hier gesessen, und es wäre seine Nähe gewesen, die mir half.
Gowenna blieb einen Augenblick hinter ihm stehen, ging dann leise um den Tisch herum und ließ sich auf einen Schemel sinken. Er fühlte ihren Blick, obwohl er sie nicht ansah. Und er spürte, wie sich ihre Hand
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