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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ursprüngliche Form des Schiffes war kaum noch zu erkennen. Das Wasser kochte. Zischende Dampfschwaden stiegen auf, verbrühten das wenige, das die Flammen noch nicht verzehrt hatten, ehe sie von neu emporschießenden Feuerarmen verschluckt und auseinandergerissen wurden.
    Aber Skar nahm von alldem kaum etwas wahr.
    Es war vorbei.
    Sie hatten gewonnen. Der Kampf war zu Ende, ehe er richtig begonnen hatte. Der Dronte war tot, von seinen eigenen Waffen vernichtet. Aber der Gedanke erfüllte ihn nicht mit Triumph oder Stolz. Er war Satai, er hatte mehr Männer sterben sehen, als er zu zählen vermochte, aber dies war kein ehrlicher Kampf gewesen. Es war Mord, schlimmer noch, ein erbarmungsloses Abschlachten, in dem ihr Gegner nicht die Spur einer Chance gehabt hatte. Selbst die Angriffe des Dronte waren auf ihre Art fairer gewesen. Seine Opfer hatten zumindest die Wahl, sich zum Kampf zu stellen oder davonzulaufen.
    Und auf eine quälende, unlogische Art fühlte er sich verantwortlich für Brads Tod. Das Eis zitterte. Erneut durchlief ein tiefes, schmerzvolles Stöhnen den Boden, und Skar begriff plötzlich, daß er sich ebenfalls in Gefahr befand. Er trat hastig ein paar Schritte zurück, warf einen letzten Blick auf die glosende Feuerlinie hinter sich und ging mit hängenden Schultern zu dem Seil hinüber, das ihn zurück auf das Deck der SHAROKAAN bringen würde.

E s wurde Morgen, bevor er an Bord des Schiffes zurückkehren konnte. Die Nacht war erfüllt gewesen vom Toben der Flammen und dem Bersten und Mahlen auseinanderbrechenden Eises, und mehr als einmal hatte die Klippe so heftig gebebt, daß Skar um seine Sicherheit fürchten mußte. Immer wieder waren Wrackteile und brennendes Öl auf den See hinausgetrieben, so daß es Rayan nicht wagen konnte, sein Schiff in die Nähe des Kanals zu steuern. Erst als gegen Morgen die Ebbe wieder einsetzte und das brennende Öl ins offene Meer hinaussaugte, erloschen die Flammen nach und nach. Das Eis bebte noch immer, aber die ungestüme Kraft des Feuers war gebrochen.
    Die gesamte Mannschaft erwartete ihn, als er auf das Deck der SHAROKAAN heruntersprang; allen voran Del und Rayan, der von einem verschlossen wirkenden Veden — Brads Bruder, wie Skar schmerzhaft zu Bewußtsein kam — flankiert wurde.
    Rayans triumphierendes Lächeln erlosch, als er den Ausdruck in Skars Augen sah. Er setzte dazu an, etwas zu sagen, trat dann aber statt dessen stumm an Skar vorbei und legte den Kopf in den Nacken. Sein Blick glitt angstvoll am Seil empor und saugte sich an der Stelle fest, an der Brad hätte auftauchen müssen. Die Konturen der Eismauer waren während der Nacht weicher geworden. Die Glut hatte alle Vorsprünge und Unebenheiten geglättet und abgeschliffen.
    »Wo... wo ist Brad?« fragte er mit mühsam beherrschter Stimme.
    Skar wich seinem Blick aus. Rayan wußte, was geschehen war. Aber seine Augen flehten Skar an, ihm zu sagen, daß er sich irrte, zu sagen, daß er noch dort oben war, von irgend etwas aufgehalten, daß er kommen würde.
    »Tot«, murmelte Skar.
    Von allen Reaktionen, die Skar erwartete hatte, traf keine ein. In Rayans Gesicht zuckte ein Nerv. Seine Augen weiteten sich für einen Moment, dann wandte er sich mit einem Ruck um und trat an die Reling. Seine Hände spannten sich so fest um das spröde Holz, als wolle er es zerbrechen.
    »Der Dronte?«
    Skar lehnte sich gegen den Mast und atmete tief ein. Zum ersten Mal seit Stunden spürte er die Kälte wieder. Sie und die Müdigkeit: eine schwere, bleierne Last, die ihn langsam zu Boden ziehen wollte. Er konnte jetzt nicht antworten. Weder jetzt noch später. Er wollte nicht einmal denken.
    »Das Eis«, sagte er nach einer Weile. »Ein Teil der Kanalwand brach unter der Hitze zusammen. Er wurde in die Tiefe gerissen.«
    Rayan nickte, ohne sich umzudrehen. »Ich wußte es«, murmelte er. »Ich wußte es, als ich dich das Seil herunterklettern sah.«
    »Es... tut mir leid«, murmelte Skar.
    Helth fuhr mit einem wütenden Schnauben herum. Seine Augen blitzten. »Es braucht dir nicht leid zu tun, Satai«, stieß er hervor. Allein die Art, in der er das Wort Satai aussprach, hätte ihm unter anderen Umständen und bei einem anderen das Leben kosten können. In seinem Mund kam das Wort einer Beschimpfung gleich, und Skar zweifelte nicht daran, daß es auch genauso gemeint war. Aber er spürte nicht einmal Ärger. Er verstand nur zu gut, was in dem jungen Veden vor sich ging. Es war der Schmerz über den Verlust

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