Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Boden, und Skar spürte die Furcht und Nervosität des Tieres. Trotzdem zwang er es dazu, langsamer zu werden. Unter ihm war weicher Sand, aber er war zu schnell.
Die Daktyle begann zu bocken. Für einen Moment versuchte sie wieder an Höhe zu gewinnen. Ihr Schädel ruckte nervös hin und her; kleine, fast ängstliche Schreie drangen aus ihrem schrecklichen Schnabel. Trotzdem glitt sie gehorsam wieder hinab, als Skar die Schenkel zusammenpreßte.
Er war jetzt nicht mehr sehr weit vom Lager entfernt; gleichzeitig spürte er, daß er das Tempo des Tieres nicht noch weiter drosseln konnte, ohne daß es den Halt in der Luft verlor und zu Boden stürzte.
Skar löste die Füße aus den Steigbügeln, atmete tief ein — und ließ sich aus dem Sattel fallen. Eine der gewaltigen schwarzen Drachenschwingen streife ihn; ganz flüchtig nur, aber die Berührung war trotzdem stark genug, ihn in der Luft herumzuwirbeln und hilflos davonsegeln zu lassen.
Der Aufprall war überraschend sanft. Der weiche Sand, in den er fiel, dämpfte seinen Sturz, und er hatte sich ganz instinktiv zu einem Ball zusammengerollt, so daß er sich zwar zwanzig-, dreißigmal überschlug, ehe er endgültig zur Ruhe kam, sich aber nicht ernsthaft verletzte.
Sein erster Blick galt der Daktyle.
Der Drache war schon erstaunlich weit entfernt, aber seine gewaltige Größe ließ ihn Skar trotzdem deutlich erkennen. Der fliegende Riese taumelte. Seine Schwingen peitschten in heller Panik die Luft, berührten dabei den Boden, so daß Staub und Sand und pulverfeiner Schnee hochstoben. Für einen kurzen, schreckerfüllten Moment fürchtete Skar, er würde abstürzen. Aber dann entschied die ungeheure Körperkraft des Tieres den lautlosen Kampf. Mit einer ungeheuerlichen Anstrengung stemmte sich die Daktyle in die Höhe, warf sich herum — und schoß mit einem erleichterten Schrei in den Himmel empor.
Skar atmete hörbar auf. Er war dem Lager so nahe, daß die Daktyle mit Sicherheit nicht unbemerkt geblieben war. Wäre sie hinter den Dünen verschwunden, ohne wieder aufzutauchen, hätte es hier in Minuten von Quorrl gewimmelt...
Er stand auf, sah sich sichernd nach allen Richtungen um und untersuchte seinen Körper dann auf Verletzungen. Er fand nichts, bis auf ein paar Kratzer und Abschürfungen, die er getrost vernachlässigen konnte. Selbst sein gerade erst geheilter Knöchel hatte den Sturz unbeschadet überstanden. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten schien das Glück wieder auf seiner Seite zu sein.
Rasch entledigte sich Skar seines Fellumhanges, ordnete noch einmal seine Kleider und strich glättend über den knöchellangen Satai-Mantel. Dann überzeugte er sich ohne irgendwelche Hast vom sicheren Sitz seiner Waffen, schüttelte sich Schnee und Sand aus den Haaren und wandte sich nach Norden, in die Richtung, in der die Lichter hinter den Dünen glommen. Es war nicht mehr sehr weit.
W ieder einmal hatte er sich verschätzt. Es dauerte annähernd eine Stunde, bis er das Lager erreicht und durchquert hatte, denn der ersten Dünenkette schloß sich eine zweite an, eine dritte, vierte, fünfte und so weiter — die klare Luft über der halbverschneiten Wüste und die Dunkelheit hatten ihm eine Entfernung von einer halben Meile vorgegaukelt, wo zwei oder drei waren. Und schließlich verlor er noch einmal kostbare Zeit, als er sich eng gegen den Sand pressen mußte, um nicht von einer Quorrl-Patrouiile entdeckt zu werden, der er um ein Haar in die Arme gelaufen wäre. Obwohl das Heer mitten in dem von ihm besetzten Gebiet lagerte und der nächste Feind hundert Meilen entfernt war, waren die Quorrl wachsam. Als er das Lager schließlich durchquert hatte und das halbe Dutzend schwarzgolden gemusterter Zelte der Satai vor ihm lag, zeigte sich am Horizont bereits der erste graue Schimmer der Dämmerung.
Trotz aller Schwierigkeiten hatte er Glück gehabt — die Zelte der Satai standen allem, ein Stück abseits jener der Quorrl-Krie-ger, dicht in einen Halbkreis aus Felsen und zyklopischen Findlingen geschmiegt, die ihnen nicht nur Schutz vor dem eisigen Wind und einem eventuellen Angriff boten, sondern auch Skar ausreichende Deckung. Aufmerksam blickte er zu den Gestalten der beiden Wächter hinüber, die reglos wie Statuen vor dem größten der vier Zelte standen. Skar beobachtete sie seit fünf Minuten, ohne daß sich einer von ihnen auch nur gerührt hatte. Trotzdem zweifelte er nicht daran, daß sie aufmerksam waren und ihnen nicht die mindeste
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