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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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irgendwo in seinem Unterbewußtsein gespeichert hatte, ohne daß er sich im Moment auch nur auf eines davon besinnen konnte. Es spielte keine Rolle. Wenn er sie brauchte, würde er sich daran erinnern, das wußte er.
    Der Wind drehte sich, trug eine Woge eisiger Kälte und das schrille, fast in den Ohren schmerzende Pfeifen der Daktyle heran. Skar schauderte. Er zog den fellbesetzten Mantel enger um die Schultern, den ihm Drask gegeben hatte, wich ganz instinktiv in den Windschatten der Tür zurück und tastete ebenso instinktiv über die Kleidung, die er unter dem wärmenden Fell trug —den schwarzen Brustharnisch der Satai, einen zweiten, schwarz und golden bestickten Mantel, den schmalen Waffengurt, in dem jetzt neben dem
Tschekal
noch eine Anzahl blitzender
Shuriken
und ein schmaler, doppelt geschliffener Dolch staken, wadenlange Hosen und eng anliegende Stiefel, die eine Winzigkeit zu klein waren: Kleider, die er einem der toten Satai abgenommen hatte und die er brauchte, wollte er sich in das Lager der Satai einschleichen.
    Selbst jetzt erschien ihm der Gedanke noch absurd. Irgend etwas in ihm war der unerschütterlichen Überzeugung, daß es nicht gut gehen
konnte,
ganz gleich, wie sorgsam sein Plan vorbereitet war, und daß er nur den Tod und sonst gar nichts finden würde. Er achtete nicht auf diese Stimme. Vielleicht hatte sie recht, aber selbst wenn — es war egal. Ob er das Kind nun fand und tötete oder ob er vorher gestellt und umgebracht wurde, es würde vorbei sein, so oder so, und das allein zählte.
    Drask kam zurück. Er lächelte wie ein Mann, der eine sehr schwierige Aufgabe zu seiner vollen Zufriedenheit gelöst hatte, und auf seiner Stirn perlte ein Netz feiner Schweißtröpfchen. Seine Hände zitterten leicht.
    »Sie ist bereit«, sagte er.
    Skar nickte. »Ich dachte immer, nur die
Errish
verstünden sich darauf, Daktylen zu reiten«, sagte er ohne echtes Interesse. »Wie hast du sie gezähmt?«
    »Gar nicht«, antwortete Drask ernst. »Dir bleibt nicht viel Zeit, Skar. Zwei Stunden, vielleicht drei... Es ist leicht, den Geist von Tieren zu beeinflussen, aber die Daktylen sind ungeheuer wild. Sie wird dich hinbringen, und sie wird dich sicher absetzen. Aber sobald du von ihrem Rücken steigst und sie freiläßt, wird sie davonfliegen.«: Plötzlich klang er sehr ernst. »Du hast nur eine einzige Chance, Skar. Geh sorgsam damit um.«
    »Und wie finde ich den Weg?«
    »Das mußt du nicht.« Drask machte eine vage Geste nach Norden. »Sie kennt ihr Ziel. Du mußt nur den Ort bestimmen, an dem sie landet.« Er schwieg einen Moment. »Wir werden uns nicht wiedersehen«, sagte er dann, sehr leise und mit einer Spur von Trauer in der Stimme, die Skar überraschte. Er hatte Drask für einen zynischen alten Mann gehalten, und daran änderte sich auch jetzt nichts, aber er begriff plötzlich, daß er sich trotzdem noch einen Rest menschlicher Empfindungen bewahrt hatte.
    »Bist du es nicht gewohnt, Männer in den Tod zu schicken?« fragte er.
    Drask schüttelte den Kopf. »Nicht so. Du hast keine Chance. Nicht einmal dann, wenn du Erfolg hast. Gerade dann nicht.« Skar starrte ihn an. Es hätte tausend Dinge gegeben, die er antworten konnte, und vielleicht war jetzt der letzte Augenblick, Drask ein wenig von dem Schmerz heimzuzahlen, den er ihm zugefügt hatte. Aber dann lächelte er statt dessen nur, hob zum Abschied die Hand und ging mit raschen Schritten auf die Daktyle zu.
    Das Ungeheuer starrte ihm aus seinen kleinen tückischen Augen entgegen, und wieder spürte Skar seine Wildheit und Kraft mit fast körperlicher Intensität. Der riesige Schädel der Bestie ruckte herum, ragte plötzlich drei, vier Meter über Skar empor und spaltete sich, als das Ungeheuer den Schnabel öffnete, um einen weiteren, in den Ohren schmerzenden Schrei auszustoßen. Skar ging mit ruhigen Schritten weiter. Ein Teil von ihm hatte Angst, eine ganz instinktive Angst vor diesem geflügelten Giganten, dessen Kraft und Mordlust seine Vorstellungskraft überstieg, aber ein anderer, stärkerer Teil spürte auch den Haß und die Wildheit, die die Seele aller Drachen waren, und begrüßte sie mit einem freudigen Aufschrei. Es war, als verbände sich ein Teil ihrer Seelen zu einem gemeinsamen Ganzen, einem finster lauernden Ding, das vom Tag seiner Geburt an in Skar gewesen war. Das, was er seinen dunklen Bruder genannt hatte. Vielleicht war es der
Daij-Djan,
der in ihm lauerte. Es war gleich. Skar hatte keine Angst mehr vor

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