Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
anblickte. Was war das? Wer war dieser alte Mann?
»Du wirst alles begreifen, Skar«, sagte Drask milde, und plötzlich war Skar fast sicher, daß er seine Gedanken las. »Aber nicht jetzt, und nicht hier.« Er deutete zur Festung hinauf. »Du bist mein Gast. Folge mir.«
D rask führte ihn zu einem wuchtigen, fensterlosen Turm aus Felsgestein, der den einzigen Zugang zu der Zyklopenfestung über dem Fluß darstellte; und wie Skar schon auf den ersten Blick sah, zudem einen, der mit wenigen Handgriffen unpassierbar gemacht werden konnte, denn in seinem Inneren befand sich nicht der Eingang eines Stollens, wie er instinktiv angenommen hatte, sondern ein lotrechter Schacht mit Wänden, die so glatt waren, als bestünden sie aus poliertem Glas. Sein Grund lag im Dunkeln, so daß Skar nicht erkennen konnte, wie tief er war; aber er spürte die Feuchtigkeit und Kälte und hörte das Dröhnen tobenden Wassers. Ein sehr schmaler, an dünnen silberfarbenen Ketten aufgehängter Steg führte über diesen Schlund, und Skar war sehr sicher, daß es irgendwo über seinem Kopf einen verborgenen Mechanismus gab, mit dem man diesen Steg entweder einziehen oder schlichtweg in die Tiefe stürzen lassen konnte.
»Wer hat das alles hier gebaut?« fragte er, während er Drask über den schwankenden Steg folgte.
Der Alte sah über die Schulter zurück und lächelte. »Gefällt es dir?« fragte er.
»Nein«, antwortete Skar. »Es ist zum Töten gemacht. So etwas gefällt mir nicht. Aber es ist eine gute Anlage. Obwohl —« »Obwohl?« fragte Drask, als Skar nicht weitersprach.
Skar lächelte flüchtig. »Mich würde es nicht aufhalten. Nicht lange, jedenfalls.«
Drask nickte anerkennend. »Aus dir spricht der Krieger«, sagte er. »Aber du hast natürlich recht — wenn die Quorrl Gorrns Krieger überrennen sollten, wird sie auch das hier nicht mehr lange aufhalten. Doch das muß es auch nicht. Wir haben andere Mittel, uns zur Wehr zu setzen.«
»Andere Mittel?«
Drask lächelte und schwieg. Skar begriff, daß er von ihm nicht mehr erfahren würde, wenigstens nicht hier und nicht jetzt. Und das Gefühl des Unwohlseins, das Drasks Nähe ihm vermittelte, wurde immer stärker. Skar versuchte vergeblich, sich einzureden, daß er nichts zu befürchten hatte. Hätte Drask ihn umbringen wollen, so hätte ein Wort an Gorrn und seine Männer gereicht.
Aber vielleicht gab es Schlimmeres als den Tod...
Der Steg endete vor einer niedrigen, sehr massiven Tür aus schmucklosem schwarzem Eisen, die wie von Geisterhand bewegt aufschwang, als Drask eine Handbewegung machte. Dahinter begann ein knapp fünf Fuß hoher, unbeleuchteter Gang, der so schmal war, daß Skar beim Gehen die Wände rechts und links berührte. Trotz des kaum vorhandenen Lichtes sah er die handgroßen Öffnungen, die in regelmäßigen Abständen in der Decke und den Wänden gähnten. Zweifellos konnte der Stollen mit Wasser oder kochendem Öl geflutet werden, sollte es einem Angreifer gelingen, in ihn einzudringen. Und trotzdem...
»Ist dies der einzige Zugang zur Festung?« fragte er.
Drask nickte. »Von hier aus, ja. Es gibt noch einen anderen Weg, aber der ist beinahe noch besser geschützt. Die Quorrl werden sich etwas einfallen lassen müssen, wenn sie die Burg stürmen wollen.«
»Wer sagt dir, das sie das tun?«
Drask lachte leise. Es klang nicht sehr amüsiert, und der enge Gang verzerrte seine Stimme fast bis zur Unkenntlichkeit, machte ein schrilles, hohl widerhallendes Meckern daraus, das Skar einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. »Ich weiß es«, sagte er. »Sie ziehen ihre Krieger zusammen, Skar, nicht einmal hundert Meilen von hier. Sobald der Winter vorüber ist, werden sie kommen. Dieser Fluß ist das Tor nach Bayfour. Sie müssen ihn haben. Aber genug jetzt — wir haben später Zeit zum Reden. Komm.« Er ging schneller. Sie erreichten eine Treppe, die in engen Windungen wie ein Schneckenhaus in einem senkrechten Schacht nach oben führte und ganz aus Holz erbaut war, wohl, um sie im Notfall anzünden zu können, und dann standen sie plötzlich wieder im hellen Licht der Nachmittagssonne.
Skar blinzelte, um seinen noch an die Dunkelheit gewöhnten Augen Zeit zu geben, sich auf die ungewohnte Helligkeit umzustellen. Im ersten Moment sah er nichts als flache schwarze Schatten, aber sein Blick klärte sich überraschend schnell. Und was er sah, ließ ihn erstaunt den Atem anhalten.
Der Stollen mündete in der Flanke des Berges, aus dem die
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