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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wußte sehr gut, daß er diese Hoffnung enttäuschen würde. Aber das spielte keine Rolle. Zum ersten Mal in seinem Leben genoß er es, sich ganz bewußt selbst zu belügen, sich einzureden, daß er unter Freunden und in Sicherheit war. Es war eine Illusion, und er wußte es, aber er genoß sie.
    Sie hielt genau zwei Wochen lang, dann holte ihn die Wirklichkeit wieder ein.

A m Abend des vierzehnten Tages, den er auf der Burg verbrachte, ließ ihn Drask zu sich rufen. Skar dachte sich nichts Außergewöhnliches dabei — mit Ausnahme eines halben Tages, den er draußen im Lager verbracht hatte, um Enwass und seine Familie zu besuchen, hatte es kaum eine Stunde gegeben, die er nicht zusammen mit Drask verbrachte.
    Aber als er Drasks Kammer betrat, begriff er, daß etwas geschehen war. Die gelöste Stimmung, in der er dem Diener gefolgt war, verflog wie ein Spuk, als er den Ausdruck auf Drasks Zügen sah. Für einen kurzen Moment schien es, als wäre es plötzlich genau umgekehrt wie bisher: Er wußte, was Drask ihm zu sagen hatte, so sicher, als hätte
er
nun
seine
Gedanken gelesen.
    Der Alte schwieg geduldig, bis sich der Diener, der Skar heraufbegleitet hatte, nach seinen weiteren Wünschen erkundigt hatte und gegangen war; dann bedeutete er Skar mit einer knappen Handbewegung, sich zu setzen. Skar war versucht, die Einladung abzulehnen; dann begriff er, wie kindisch eine solche Reaktion gewesen wäre. Schweigend ließ er sich auf den angebotenen Stuhl sinken und sah zu Drask auf.
    »Du weißt, warum ich dich rufen ließ«, begann Drask.
    Skar nickte. Ein schlechter Geschmack begann sich auf seiner Zunge breit zu machen. Warum stand er nicht einfach auf und ging?
    »Du hast dich erholt in den letzten Wochen«, fuhr der Alte fort. »Ich habe dich beobachtet. Dein Körper ist geheilt, und deine Kraft kehrt zusehends zurück. Vielleicht wirst du nie wieder der werden, der du einmal warst, aber du bist noch immer ein Satai, und ich tat, was mir möglich war.« Er lächelte bedauernd. »Meine Macht reicht lange nicht an die der Gesichtslosen Prediger heran, aber ich habe getan, was ich konnte. Es muß genügen.« »Ich weiß«, sagte Skar leise. Er versuchte vergeblich, seinen Worten einen bitteren Klang zu verleihen. In ihm war nichts als Leere. Er wußte, was kommen würde. Er hatte diesen Moment herbeigefürchtet, in jeder einzelnen Sekunde der vergangenen beiden Wochen. Jetzt drohte er in Panik zu geraten. Die fast unnatürliche Ruhe, die von ihm Besitz ergriffen hatte, täuschte. Sie war nur eine dünne Tünche, unter der das Entsetzen mit all seinen Fratzen und Grimassen lauerte. »Und jetzt«, sagte er leise, »verlangst du deinen Lohn, nicht wahr?«
    »Meinen Lohn?« Drasks Gesicht verdüsterte sich vor Zorn.
»Meinen Lohn?!«
wiederholte er. »Siehst du es so? Glaubst du wirklich, ich wäre nichts als ein kleiner Krämer, der um eine Belohnung für seine Dienste schachert?!«
    »Nein«, sagte Skar hastig. Drasks Zorn war nicht gespielt.
    Skars Worte hatten ihn verletzt, viel tiefer, als Skar es absichtlich hätte tun können. Es tat ihm leid. Er mochte Drask noch immer nicht, und wahrscheinlich war es überhaupt unmöglich, diesen Mann zu mögen, egal wie gut man ihn kannte. Aber ihn zu verletzen war das letzte, was er wollte. »Entschuldige«, murmelte er. »Ich... wollte das nicht sagen.«
    »Doch«, behauptete Drask aufgebracht, »das wolltest du!
    Du —« Er hob zornig die Hand, eine ganz impulsive Bewegung, wie man sie einem ungezogenen Kind gegenüber machen würde, um es zu züchtigen, brach aber dann plötzlich mitten im Satz ab und ließ auch den Arm wieder sinken.
    »Du bist nun einmal so«, fuhr er fort, wenn auch mit gänzlich anderer Betonung. Jeder Zorn war mit einem Male aus seiner Stimme verschwunden. Wenn Skar überhaupt noch etwas darin hörte, dann allenfalls noch eine tiefe, mit Trauer gepaarte Resignation.
    »Vielleicht hast du sogar recht«, sagte er plötzlich. »Ja, ich verlange meine Belohnung. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß ich es mir noch leisten könnte, irgend etwas zu verschenken.« Er schwieg einen Moment, schüttelte plötzlich den Kopf, als hätte er sich in Gedanken eine Frage gestellt und im selben Augenblick selbst beantwortet, dann ging er mit schnellen trippelnden Schritten um den Tisch herum und setzte sich ebenfalls. Seine Hände glitten wie kleine selbständige Lebewesen aus grau gewordenem Fleisch über die zerfurchte Platte. Er sprach nicht weiter.
    »Du

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