Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hatte, und sie auf den Rücken ihres Pferdes gebunden in die Festung zurückzuschicken. »Vielleicht sollte ich es tun«, grollte er.
    »Bitte«, sagte Kiina schnippisch. »Schlag mich nieder, oder nimm mich mit. Ich bleibe bei dir. Das waren deine eigenen Worte, Skar. Schon vergessen? Ich soll bei dir bleiben, ganz egal, was passiert.«
    »Aber das —« Skar brach ab, ballte ratlos die Faust und drehte sich resignierend im Sattel herum. Plötzlich fühlte er sich hilflos wie nie zuvor in seinem Leben. Er wußte einfach nicht mehr, was er tun sollte.
    »Ich bleibe nicht dort drinnen, Skar«, betonte Kiina noch einmal. »Wenn ich schon sterben muß, dann an deiner Seite.« Hinter ihr fiel das Tor mit einem Laut wie das Schlagen einer riesigen bronzenen Glocke vollends zu. Skar hörte das Scharren des gewaltigen Riegels; fast, wie um ihre Worte zu unterstreichen. »Du wirst da genauso tot sein wie irgendwo anders«, antwortete Skar, mit einer Ruhe, die ihn selbst ein wenig erstaunte. Langsam wandte er sich wieder den Quorrl zu. Die Schlachtreihe der Schuppenkrieger hatte sich nicht bewegt, aber er glaubte, die Blicke Hunderter und Aberhunderter schmaler geschlitzer Schlangenaugen wie die Berührung kleiner glühender Hände zu spüren.
Was,
dachte er,
wenn Torian recht gehabt hatte? Wenn es keine gemeinsame Basis zwischen ihnen gab?
    Schließlich gab er nach: »Wie du willst, Kiina. Bleib immer dicht hinter mir. Und du sagst oder tust
nichts,
hast du das verstanden? Überhaupt
nichts, ganz
egal, was passiert!«
    Er sah Kiina bei diesen Worten nicht an, aber er fühlte, wie sie nickte, und ritt langsam weiter. Sein Pferd begann zu scheuen, als er es zwang, auf die Toten zu treten, die den Platz vor dem Tor bedeckten, aber er brachte das Tier mit brutaler Kraft dazu, weiterzugehen.
    Ganz langsam kam die vorderste Reihe der Quorrl näher.
    Skars Herz begann zu hämmern. Seine Handflächen wurden so feucht, daß er Mühe hatte, den Zügel zu halten, und plötzlich
hatte
er Angst, ganz entsetzliche Angst sogar. Die Bedrohung, die von den Quorrl ausging, war fast greifbar.
    Als er sich den Kriegern bis auf zehn Schritte genähert hatte, teilte sich die lebende Mauer. Ein schmaler, von grün- und graugeschuppten Körpern gebildeter Korridor öffnete sich, durch den Skar und Kiina hindurchreiten konnten. Skar mußte sich nicht umdrehen, um zu wissen, daß er sich hinter ihnen wieder schloß. Er spürte, wie Kiina ihr Pferd dichter an das seine herandrängte. Er konnte ihre Angst fast riechen.
    Sie ritten nicht sehr weit. Sie waren noch in Sichtweite der Burg, noch diesseits der ersten Wegbiegung, als sich der lebende Korridor vor ihnen verbreiterte, um einer zweiten, berittenen Gestalt Platz zu machen.
    Obwohl Skar schon vorher gewußt hatte, wem er gegenüberstand, erkannte er Titch kaum wieder. Der Quorrl saß im Sattel eines Pferdes, gegen das selbst Skars Schlachtroß wie ein Pony wirkte. Er war von Kopf bis Fuß in schimmerndes Gold gehüllt, ebenso wie sein Pferd, trug Schwert, Schild, Lanze und Morgenstern, und der ungeheuerliche Panzer und all diese Waffen ließen ihn noch größer und bedrohlicher erscheinen, als er ohnehin schon war. Die Augen hinter dem »T« förmigen Sichtschlitz seines Helmes blickten kalt, ohne die mindeste Spur von Mitleid oder Verständnis, aber auch ohne Haß. Wenigstens redete sich Skar dies mit aller Macht ein.
    Er ritt auf zwei Schritte an den Quorrl heran, zügelte sein Pferd und versuchte vergeblich, Titchs Blick ebenso gelassen standzuhalten, wie der Quorrl
ihn
ansah. Skar schauderte, als er die Kälte spürte, die von der Gestalt des gigantischen Schuppenkriegers ausging.
    »Warum bist du gekommen, Mensch?« fragte Titch. Skar fuhr unmerklich zusammen, als er die Anrede hörte. »Um zu sterben?« »Um zu leben«, antwortete Skar. »Wenn ich sterben wollte, wäre ich in der Burg geblieben.«
    »Vielleicht wäre das klüger gewesen«, erwiderte Titch kalt. »Möglicherweise hättest du dort länger gelebt als hier. Was willst du? Um Gnade flehen?«
    »Nein«, entgegnete Skar leise. »Um zu reden. Mit dir, Titch.« Titch starrte ihn an. »Reden?« Er schwieg einen Moment, lachte dann, ganz ganz leise. »O ja, reden«, wiederholte er. »So, wie du mit Trash geredet hast, wie? Es gibt nichts mehr zu
reden
zwischen uns, Mensch. Ihr habt
geredet,
gestern nacht. Dreitausend meiner Brüder liegen erschlagen unten am Fluß.«
    »Und dreimal so viele werden sterben, wenn du diese Burg stürmen

Weitere Kostenlose Bücher