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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Del mit einer Frage an ihn wandte und Kiina ihn unsanft mit dem Ellbogen anstieß, schrak er wie aus einem Traum hoch und sah ihn einen Moment lang verständnislos an. »Was?«
    »Ich habe gefragt, ob du noch irgendwelche Einwände oder Vorschläge hast«, wiederholte Del. »Aber mir scheint, du hast gar nicht zugehört.«
    »Nein«, gestand Skar nach kurzem Zögern. »Verzeih. Ich ... war mit meinen Gedanken woanders.«
    »Bei Titch?«
    Skar nickte, und Del wirkte mit einem Male sehr, sehr ernst.
    »Ich verstehe ihn nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich kenne Titch seit Jahren, und ich ... ich hatte immer das Gefühl, er wäre ein vernünftiger Mann.« Er versuchte zu lachen, aber es mißlang. »Weißt du, daß ich ihn eine Weile fast wie einen Menschen betrachtet habe? Und jetzt das.«
    »Vielleicht gerade darum«, antwortete Skar. Del sah ihn fragend und offenkundig verwirrt an. »Vielleicht ist er schon zu sehr Mensch, und nicht mehr genug Quorrl«, fuhr Skar fort, und er meinte diese Worte ganz genau so, wie er sie aussprach. »Ich habe mich lange mit Titch unterhalten, gestern, unten an den Felsen. Er ist... anders. Anders als alle anderen Quorrl, die ich je getroffen habe.«
    »Ja«, ergänzte Del zornig. »Noch ein bißchen verrückter.« »Nein«, erwiderte Skar, lächelte dann und verbesserte sich: »Oder vielleicht doch. Er ist fast so verrückt wie wir, weißt du? Dieser Quorrl ist stolz. Stolz auf das, was er ist, und stolz auf sein Volk. Wenn du das verrückt nennen willst, bitte.«
    »Und deshalb will er uns und die Hälfte seines Heeres umbringen?« fragte Del verwundert. »Irgendwie kapiere ich deine Argumente nicht, Skar.«
    Skar antwortete nicht mehr. Del hätte ihn nicht verstanden, und wenn er noch Stunden geredet hätte. Und er konnte es auch nicht wirklich ausdrücken. Das Wissen um die Gründe für Titchs Handeln war in ihm, aber es war nur ein Gefühl, das sich nicht in Worte kleiden ließ. Titch war anders als die anderen Quorrl, und Skar glaubte zu wissen, daß er früher oder später sowieso zerbrochen wäre; allein unter dem Gedanken, vierzigtausend seiner Brüder in den sicheren Tod führen zu müssen. Kein Wesen, das auch nur einen Deut von Gefühlen in sich barg, konnte mit diesem Gedanken leben. Nein — Titch handelte nicht einmal falsch, von seiner Warte aus. Er rückte die Dinge nur wieder zurecht.
    Del stand auf, als klar wurde, daß Skar nicht antworten würde. »Ich will mich nicht mit dir streiten«, schloß er, in einem Ton, der keinerlei Vorwurf enthielt. »Wir haben noch eine Stunde, wenn Titch sein Wort hält. Ich erwarte dich draußen auf der Mauer.«
    Er ging. Skar blickte ihm nach, auch als er die Tür schon lange hinter sich zugezogen hatte, und stützte schwer das Kinn auf die gefalteten Hände. Ihm war kalt, obwohl das Feuer im Kamin hoch brannte. Sein Blick suchte Kiinas. Sie erwiderte ihn, mit der Andeutung eines Lächelns in den Augen, aber auch mit sehr großer Angst.
    »Du hättest Titchs Angebot annehmen und dich retten sollen«, sagte er plötzlich.
    »Mich retten? Wie?«
    »Du hättest gehen können«, antwortete Skar. »Dich verstek-ken, irgendwo, und warten, bis das alles hier vorüber ist.«
    »Mich verstecken«, wiederholte Kiina, in einer Art, als müsse sie erst nachdenken, was dieses Wort überhaupt bedeutete. »Und wo?« fragte sie dann. »Es wird kein
irgendwo
mehr geben, Skar, und nichts, auf das sich zu warten lohnte.«
    »Unsinn.« Skars Protest klang müde, fast resignierend. »Enwor ist groß, und wir kennen es nicht einmal ganz. Es wird Jahrhunderte dauern, bis sie es ganz erobert haben. Wenn es ihnen überhaupt jemals gelingt. Du hättest irgendwo in Ruhe leben können.«
    »Vielleicht wollte ich das aber nicht«, antwortete Kiina ernst.
    »Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe, Skar. Du warst nicht in Elay, Aber ich. Ich habe gesehen, was sie aus dieser Welt machen werden. Nichts, wofür sich zu überleben lohnte.« Sie stand auf, trat ans Fenster und tat so, als schaue sie hinaus, aber in Wahrheit ging ihr Blick ins Leere.
    »Haben wir eine Chance?« flüsterte sie.
    »Gegen Titch?« Skar schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er überzeugt.
    »Und trotzdem hat Del einen Plan ausgearbeitet, diese Festung zu verteidigen«, wunderte sich Kiina kopfschüttelnd. Sie drehte sich herum, legte den Kopf gegen das kalte bunte Glas des Fensters und sah ihn einen Moment lang fast verwirrt an, ehe sie die Augen schloß. »Er ist gut,

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