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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einfach nur gefühllos wie eine Maschine war, und das war er wohl auch noch immer.
    Aber die Droge, die seinen Geist verwirrte und die entsetzliche Macht seiner Augen brach, hatte noch mehr bewirkt. Skar fragte sich, warum Drask ihm im ersten Moment so gealtert und schwach vorgekommen war, aber er fand die Antwort fast augenblicklich. Ihm fehlte jetzt die faszinierende Größe, die das wirklich Böse kennzeichnete.
    »Du hast mich rufen lassen«, antwortete er mit einiger Verspätung. »Was willst du?«
    Er machte einen weiteren Schritt auf Drask zu, und wieder kroch die Schuppenhand des blinden Wächters zum Schwert.
    Skar blieb abermals stehen. Der Quorrl hatte Befehl, jeden zu töten, der sich Drask auf mehr als drei Schritte näherte, ausnahmslos jeden, und er würde es tun. Daß Skar all diese Vorsichtsmaßnahmen, die Del und Bradburn befohlen hatten, für lächerlich übertrieben hielt, änderte daran gar nichts.
    »Was willst du von mir?« fragte er noch einmal, als Drask nicht antwortete, sondern ihn nur weiter aus seinen verschleierten Augen anblickte.
    »Ich wollte dich noch einmal sehen«, antwortete Drask, sehr leise, aber mit plötzlich wieder kräftiger Stimme. »Ich sterbe.«
    »Ich weiß«, antwortete Skar kalt. Es gelang ihm nicht einmal mehr, Haß auf Drask zu empfinden. Irgendwie war Drask nun für ihn zu einem Quorrl geworden — jemand, nein:
etwas, —
das man fürchtete und respektierte, aber so wenig hassen konnte wie den Blitz, der einen erschlug.
    Drask versuchte, den Kopf zu schütteln, aber selbst zu dieser kleinen Bewegung fehlte ihm beinahe die Kraft. »Du verstehst nicht«, sagte er. »Ich sterbe
jetzt.
Ich spüre es.«
    Skar bezweifelte seine Worte nicht. Drask war ein Magier, und Magiern standen andere Sinne zur Verfügung als normalen Menschen. Es war ohnehin ein Wunder, daß er noch lebte, nach den Verletzungen, die er davongetragen hatte.
    »Ich dachte, es würde dir Freude bereiten, dabei zuzusehen.«
    »Du kannst mich nicht mehr verletzen, alter Mann«, erwiderte Skar ruhig; nicht nur äußerlich, sondern wirklich ruhig, ohne eine Spur von Zorn. »Was willst du?«
    Drask schwieg eine Weile, und der Quorrl zu seinen Füßen wandte ihm das blinde Gesicht zu. Er legte den Kopf auf die Seite, wie ein Mensch, der gebannt auf etwas lauschte, und für wenige Augenblicke war Skar zweifelsfrei davon überzeugt, daß diese beiden ungleichen sterbenden Wesen wirklich auf irgendeine Art miteinander redeten.
    »Warum bist du geblieben?« fragte er plötzlich. Das war etwas, was ihn beschäftigte, seit sie diese Festung vor zwei Tagen genommen hatten, nicht die einzige, wohl aber die wichtigste Frage, auf die er noch keine Antwort gefunden hatte. »Warum bist du nicht geflohen, du Narr? Hast du wirklich geglaubt, du könntest diese lächerliche Burg halten?«
Gib mir hundert Satai, Drask, und ich nehme deine Burg in einer Nacht.
Das waren seine Worte gewesen. Er erinnerte sich gut daran, und auch an den Schrecken, den sie auf Drasks Gesicht ausgelöst hatten.
    »Geflohen?« Drasks Blick war wieder klar. »Aber wohin denn?
    Und wozu?«
    »Wozu?« Skar war verwirrt. »Um dein Leben zu retten, zum Beispiel.«
    Drask lachte leise. »Mein Leben? Die wenigen Jahre, die mir noch blieben?«
    Er hob anklagend die gefesselten Hände und streckte sie Skar entgegen. »Das hier macht mir Angst, Satai, und es bereitet mir Schmerzen. Aber der Tod schreckt mich nicht. Er ist eine Erlösung für jemanden, der so alt geworden ist wie ich, und jemanden, der sich mit Mächten eingelassen hat, wie ich es tat.« »Bedauerst du es?« Skar spürte, daß Drasks Worte ernst gemeint waren, so billig und abgedroschen sie klangen. Drask schüttelte den Kopf.
    »Bedauerst du, Satai zu sein? Die
Sternengeborenen
verlangen einen hohen Preis für die Macht, die sie mir verliehen haben, Skar. Du wärest entsetzt, wenn du wüßtest,
wie
hoch er ist. Aber ich bedaure es nicht, so wenig, wie ein Satai bedauert, nicht das Leben eines Bauern zu führen. Man bekommt, und man gibt dafür.« Er lachte ein dünnes, meckerndes Altmännerlachen, in dem sogar eine Spur seiner früheren Bosheit mitschwang, und hob abermals die Hände.
    »Warum nimmst du sie mir nicht ab, Skar? Sie tun weh.«
    »Ich kann es nicht.« Skar deutete auf den blinden Quorrl. »Er würde mich töten, wenn ich es versuchte. Das weißt du.«
    Drask sah eine Weile auf den Quorrl-Krieger hinab, als müsse er sich durch eigenen Augenschein davon überzeugen, daß

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