Enwor 7 - Das schweigende Netz
Angst.
Zwanzigtausend
Männer — und jeder einzelne ein potentieller Killer. Großer Gott, was würde geschehen, wenn diese Männer auf Titchs Quorrl trafen, unter dem Einfluß
dieses
Ortes?!
Titchs Gedanken schienen in ähnlichen Bahnen zu verlaufen, denn er sagte: »Wenn es so ist, werde ich meinen Kriegern Befehl geben, die Burg zu räumen. Sie ist kaum groß genug für uns alle.« »Zuallererst einmal«, antwortete Del herablassend, »wirst du mit Skar zu den Felsen hinunterreiten und dir die tote
Errish
ansehen. Jetzt, wo die Phiole verschwunden ist, ist es um so wichtiger.«
Titch nickte, aber Skar fühlte sich beinahe noch unbehaglicher.
Er wollte nicht noch einmal dorthin. Er hatte Angst, die Tote wiederzusehen, und er hatte Angst, den
Daij-Djan
zu treffen, der bei den Felsen auf ihn warten mochte. »Wozu?« fragte er.
Del zuckte die Schultern. »Man weiß nie«, erwiderte er. »Sie wird einen Grund gehabt haben, sich dort unten hemmzutreiben, und ich will wissen, welchen. Jetzt um so mehr. Wir können kein Risiko eingehen.« Er sah Skar fragend an. »Du hast noch den Verschluß der Kristallflasche?«
Skar schüttelte den Kopf. »Nein. Er war nicht bei den Sachen des Toten.«
»Das ist schade«, bedauerte Del. »Vielleicht hat er ihn für einen Edelstein gehalten und eingetauscht. Ich werde danach suchen lassen. Wann reitet ihr?«
»Jetzt gleich«, sagte Titch, noch ehe Skar Gelegenheit fand zu antworten. »Ich- weiß zwar so wenig wie Skar, was du dir davon versprichst, aber du hast recht — wir sollten kein Risiko eingehen. Vielleicht finden wir irgend etwas bei ihr, was uns weiterhilft.«
Der Weg zum Fluß hinunter kam ihm weiter vor als beim ersten Mal, und Skar war plötzlich gar nicht mehr so sicher wie noch vor Tagesfrist, ob es ihm
wirklich
gelingen würde, die Stelle wiederzufinden, an der er auf die tote
Errish
und ihren Drachenvogel gestoßen war. Jetzt, als er danach
suchte,
schien plötzlich alles gleich auszusehen, und er hatte vorher noch nie bemerkt, wie
groß
das steinerne Labyrinth war, über dem sich die schwarzen Zinnen von Drasks Trutzburg erhoben.
Skar fühlte sich zwischen zwei völlig verschiedenen Empfindungen hin und her gerissen — auf der einen Seite war er erleichtert — nicht nur innerlich, sondern auch auf ganz real körperliche Weise —, aus der Burg heraus zu sein, auf der anderen Seite fühlte er sich nicht sehr wohl in Titchs Begleitung. Und um so mehr, als er festgestellt hatte, daß es sich bei ihren Begleitern ausschließlich um Quorrl handelte; ein halbes Dutzend großer, muskelbepackter Gestalten, welche die Kräftigsten aus Titchs Leibgarde zu sein schienen. Er mißtraute den Quorrl nicht — ganz im Gegenteil mußte er sich insgeheim eingestehen, daß er Titch und seinen Kriegern in den letzten Tagen weitaus mehr vertraute als den sogenannten Satai, die Del um sich geschart hatte —, aber er spürte, daß Titch ihn belog; oder ihm zumindest etwas
nicht
gesagt hatte, was wichtig gewesen wäre.
Als sie etwas mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten, sahen sie das Heer. Es war noch sehr weit entfernt — die Männer würden sich beeilen müssen, um vor Dunkelwerden die Burg zu erreichen —, und es näherte sich auf der anderen Seite des Flusses, aber es bot trotzdem einen beeindruckenden Anblick. Die Ebene, die am Morgen noch weiß gewesen war, brodelte jetzt vor schwarzer und metallisch blitzender Bewegung, und über dem riesigen Heerwurm zog eine Wolke aus Staub und pulverfeinem Schnee dahin. Skar spürte ein sonderbares Gefühl, von dem er im ersten Moment selbst nicht genau wußte, was es war — einerseits etwas von dem erhebenden Gefühl von
Macht,
das eine so große Armee vermittelte, andererseits aber auch Furcht; und einen nie gekannten Zweifel. Plötzlich erinnerte ihn diese ungeheuerliche Karawane aus zwanzigtausend Männern und Pferden an eine Ameisenarmee, ein Heer hirn-und willenloser Etwasse, die er einfach nicht mit der Vorstellung denkender Individuen überein bringen konnte.
»Beruhigt dich der Anblick, Satai?«
Skar fuhr fast erschrocken zusammen und wandte sich im Sattel zur Seite. Titch war neben ihn herangeritten und hatte sein Pferd ebenfalls angehalten, und auch sein Blick war starr nach Westen gerichtet.
Fast gegen seinen Willen schüttelte Skar den Kopf. »Sollte er das?«
»Natürlich«, antwortete Titch. »Ihr seid uns jetzt ebenbürtig.
Bis heute wart ihr fünfhundert Menschen, in der
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