Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Orientierung zu verlieren, gab es aber bald wieder auf; zum einen geriet er unentwegt aus dem Takt, denn die Stufen waren unterschiedlich hoch und breit, so daß ein rhythmisches Gehen unmöglich wurde, und zum anderen kannte er diesen geheimen Fluchtweg sowieso und wußte, daß es keinerlei Abzweigungen oder Türen gab, bis hinab ins Kellergeschoß des Palastes, wo er in die Verliese mündete; und wahrscheinlich auch in den Gang, den ihm Kiina hatte zeigen wollen.
    Der Weg schien endlos zu sein. Das Licht unter ihnen wurde nur ganz allmählich stärker, und während Kiinas Gestalt sich allmählich als schwarzer Umriß vor ihm aus rötlicher Glut herauszuschälen begann, begriff Skar, daß er sich getäuscht hatte: Es war nicht der Schein einer Fackel; dazu war das Licht zu gleichmäßig und zu düster, ein dunkles Rot wie von nur noch halb glühender Lava. Er erwog diesen Gedanken sekundenlang und verwarf ihn wieder. Die Luft, die ihnen aus der Tiefe entgegenströmte, war
kalt.
    Schließlich weitete sich der Treppenschacht zu einer halbrunden, gut fünfzig Fuß messenden Halle, die in eben jenem Rot glühte, das sie von oben gesehen hatten. Skar trat rasch an Kiina vorbei und atmete innerlich auf, froh, aus der erstickenden Enge des Treppenschachtes heraus zu sein. Kiina taumelte vor Erschöpfung, und auch Skars Knie zitterten spürbar. Das Gehen auf den ungleichmäßigen Stufen war sehr kräftezehrend gewesen.
    »Was ist das hier?« fragte Kiina. Ihre Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken.
    Skar zuckte wortlos mit den Schultern. Ein einziges Mal war er hier gewesen, vor Jahren, aber damals hatte es dieses rote Glühen nicht gegeben. Gowenna und er hatten die Halle im Schein einer ganz normalen Fackel durchquert, und noch dazu sehr schnell, denn es gab hier nichts, was betrachtenswert gewesen wäre.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Dieses Licht...« Es war ein sonderbares Licht, ein düsterer roter Schein, der Assoziationen an Flammen und Hitze weckte, aber kalt war und ihn mit instinktivem Unbehagen erfüllte. Vielleicht, weil er seine Quelle nicht ausmachen konnte. Die Luft selbst schien in dieser roten Glut zu erstrahlen. Wenn man nur lange genug hinsah, dann glaubte man ein schwaches Pulsieren in der Helligkeit wahrzunehmen.
    »Das meine ich nicht«, antwortete Kiina. »Das Licht ist normal.
    Ich meine den Raum.«
    »Das nennst du normal?« ächzte Skar.
    Kiina machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir benutzen es nie, aber du kannst jeden Raum im Palast auf diese Weise beleuchten«, sagte sie. »Und in fast jeder beliebigen Farbe. Ein Zauber
der Alten.«
Sie gab sich Mühe, ihre Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen, aber Skar spürte, mit welchem Stolz es sie erfüllte, ihm dieses Geheimnis zu verraten. Ihm selbst bereitete es eher Furcht.
    »Ein Teil des Fluchtweges«, antwortete er. »Irgendwo hinter-«
    Er sah sich suchend um und deutete schließlich auf eine Stelle, die der Treppe genau gegenüberlag. »-
dieser
Wand liegen die alten Verliese. Von dort aus kennst du den Weg wahrscheinlich besser als ich.«
    Kiina schwieg einen Moment. Ihr Blick wirkte irritiert. Sie verstand den groben Ton nicht, in dem Skar plötzlich sprach. Ohne ein weiteres Wort ging sie zu der Stelle, die Skar ihr gezeigt hatte, und drückte mit der Schulter dagegen. Nichts geschah. Kiina runzelte verärgert die Stirn, und Skar trat mit einem raschen Schritt neben sie und legte die gespreizten Finger auf den glattpolierten Fels. Ein helles Klicken erscholl, vergleichbar dem Geräusch, das oben aus dem Inneren des Thrones gekommen war, aber leiser, sauberer, und plötzlich spaltete sich die scheinbar massive Wand vor ihnen in zwei Hälften, zwischen denen sie zwar gebückt, aber doch bequem hindurchgehen konnten.
    Kiina nickte anerkennend. »Du überraschst mich immer wieder, Skar«, sagte sie. »Du weißt Dinge, die nicht einmal mir bekannt waren.«
    Skar verzichtete auf eine Antwort. Ungeduldig wartete er, bis Kiina ihm gefolgt war, dann schloß er die Tür wieder auf die Art, die Gowenna ihm gezeigt hatte, und sah sie auffordernd an. »Jetzt darfst du die Führung übernehmen.«
    »Euer Vertrauen ehrt mich zutiefst«, antwortete Kiina spöttisch. Sie drehte sich herum, ging ein paar Schritte, blieb stehen, runzelte verwirrt die Stirn, machte einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung und blieb wieder stehen.
    »So furchtbar gerechtfertigt scheint es aber nicht gewesen zu sein«, sagte Skar.
    Kiina warf

Weitere Kostenlose Bücher