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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schnell und schmerzhaft, und sein Arm tat unerträglich weh. Der frische Verband, den Scrat am vergangenen Abend angelegt hatte, begann sich rot zu färben. »Wieso bist du hier? Was haben sie dir getan?« »Getan?« Kiina versuchte zu lächeln, aber unter all dem Schmutz und eingetrockneten Blut auf ihrem Gesicht wurde es eher eine Grimasse. »Sie haben mir nichts getan, Skar.«
    »Das sehe ich!« sagte Skar wütend. »Ich bringe Cron um, wenn ich ihn in die Finger bekomme, das schwöre ich. Und Titch gleich dazu!«
    »Sie haben mir nichts getan«, beharrte Kiina. »Sie haben mich nur gebunden, um mich zu schützen.« Kiinas Finger wanderten an ihrem Bein herab und glitten über das rostige Eisen des Fußrings. Die Haut darunter war aufgescheuert und blutig, und dem Schorf nach zu schließen, mußten die Wunden — so weit sie nicht unentwegt wieder aufgerissen wurden —, mehrere Tage alt sein.
    »Zu schützen?« wiederholte Skar ungläubig.
    »Den Gefesselten tun sie nichts«, antwortete Kiina mit einer Geste auf die Gestalten hinter Skar. »Frag mich nicht, warum, aber es ist so. Niemand hat mich angerührt, seit ich hier bin.«
    »Du warst… die
ganze Zeit
über hier unten?«
    Kiina nickte. »Vom ersten Moment an.«
    »Ich bringe Titch um!« schwor Skar, und in diesem Moment meinte er es ganz genau so, wie er es sagte. »Dieses verdammte Ungeheuer!«
    »Du tust ihm Unrecht«, sagte Kiina. »Es war nicht seine Schuld.«
    Skar lachte schrill, aber Kiina schüttelte abermals und mit aller Überzeugung, die sie aufbringen konnte, den Kopf. »Dieses Monstrum Cron hat mich hier eingesperrt«, sagte sie. »Titch wollte es nicht, aber er hat ihm gar keine Wahl gelassen. Er hätte auch dich hierherbringen lassen, wenn Titch nicht sein Leben für dich verpfändet hätte.«
    Skar schwieg verwirrt. Er verstand immer weniger, was hier vorging. Kiina hätte verzweifelt sein müssen, zumindest zornig, aber sie schien im Gegenteil fast
dankbar.
Einen Moment lang fragte er sich ernsthaft, ob er dabei war, den Verstand zu verlieren. Verstört sah er sich in der winzigen, mit Leibern vollgestopften Zelle um und versuchte vergeblich, die zerlumpten, stinkenden Gestalten als menschliche Wesen zu akzeptieren. Es gelang ihm nicht. Wenn diese Kreaturen jemals Menschen gewesen waren, dann hatte Cron ihnen alle Menschlichkeit schon vor langer Zeit genommen.
    »Was ist das hier?« flüsterte er.
    »Crons Sklaven«, antwortete Kiina. »Ich weiß nicht, wer sie sind und woher sie kommen.«
    Skar zögerte. Sekundenlang hockte er einfach reglos da und starrte in die Reihe stummer Gesichter, die ihm voller Angst entgegenblickten, dann deutete er mit der gesunden Hand auf einen Mann, dessen Blick ihm nicht ganz so trüb und verwirrt erschien wie der der anderen.
    »Du«, sagte er. »Wer bist du? Woher kommst du?«
    »Er kann dir nicht antworten, Skar«, sagte Kiina noch einmal.
    »Ich weiß nicht einmal, ob er dich versteht. Aber selbst wenn, kann er nicht sprechen. Sie haben ihnen die Zungen herausgerissen.«
    Seltsam — aber Skar erschrak nicht einmal besonders. Nach allem war auch diese weitere Grausamkeit nurmehr ein Tropfen in dem Ozean aus Entsetzen, in dem er zu ertrinken drohte. Er fragte sich, ob Titch wirklich glaubte, daß er sein Wort halten und nicht über
das hier
erzählen würde. Wenn ja, war er ein Narr. »Warum hat er es mir nicht gesagt?« murmelte er. Die Frage galt viel mehr ihm selbst als Kiina, aber sie antwortete trotzdem. »Titch?« Sie lachte leise. »Hättest
du
es ihm gesagt, wenn es umgekehrt gewesen wäre?«
    »Daß wir Sklaven halten?« Skar zuckte bewußt gleichgültig mit den Achseln. »Und? Ich kenne einige Männer, die sich Quorrl als Arbeitssklaven…«
    Er sprach nicht weiter, als er Kiinas Blick begegnete. Und er ahnte die Wahrheit, noch bevor das Mädchen sie aussprach. Im Innersten hatte er sie vom ersten Moment an geahnt. Keiner dieser Männer und Frauen war in der Verfassung, körperliche Arbeit zu leisten, nicht einmal die leichteste.
    »Es sind keine Arbeitssklaven, Skar sagte Kiina ruhig. »Das hier ist Crons Vorratskammer.« Sie machte eine weit ausholende, zitternde Handbewegung. »Sie essen sie.«

D ie Krieger kamen mit dem ersten Licht des neuen Tages. Die beiden winzigen Fenster unter der Decke wurden zu grauen rechteckigen Löchern in der Wand, als Skar den Hufschlag hörte, einen dumpfen, nur allmählich näherkommenden Klang, der aber von jenem machtvollen Dröhnen durchdrungen war, das

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