Epicordia
sagen?«
Lara befürchtete für einen
winzigen Moment das Schlimmste.
»Ich hab ihn ins Hospital von Ravinia gesteckt«,
meinte er jedoch.
»Das wird ihm nicht gefallen haben.«
»Richtig. Er hat sich quasi mit Händen und FüÃen
gewehrt. Aber ganz ehrlich, ich kenne Tom nun schon so lange und ich muss
sagen, er befindet sich wirklich in einer miserablen Verfassung. Die Wunden auf
seinem Rücken haben ihm mächtig zugesetzt und ich möchte nicht, dass ihm etwas
noch Ernsteres zustöÃt.«
Na wunderbar, dachte Lara. Lee war weg, Tom auch.
Beide verwundet, weil sie ihr die Haut gerettet
hatten. Immerhin Grund genug, um sich entsetzlich schuldig zu fühlen.
»Wie lange wird er dort bleiben?«
Lord Hester zuckte mit den Schultern.
»Zwei oder drei Wochen vielleicht. Je nachdem, wann er
wieder fit ist. Sie meinten, er hätte ein Reha-Programm zu absolvieren, damit
seine Rückenmuskulatur keine ernsthaften Schäden davontrug.«
»Das wird ihm wirklich nicht gefallen haben«,
wiederholte Lara.
»Nein«, bestätigte Lord Hester sie. »Aber da Tom
Truska jetzt nun mal nicht abkömmlich ist, brauche ich eine andere Person, die
vom Fach ist.«
Lara beäugte ihn misstrauisch.
»Dich«, sagte der Lord.
»Mich?«, vergewisserte Lara sich, nicht sicher, was
sie davon halten sollte. Natürlich war es eine groÃe Ehre, dass Lord Hester sie
brauchte. Doch auf der anderen Seite wusste sie nicht, wofür ihre Dienste in
Anspruch genommen werden sollten.
Lord Hester nickte bloÃ.
»Aberââ¦Â«, begann Lara, »aber wieso denn?«
»Das ist ziemlich einfach«, antwortete Lord Hester.
»Komm, wir gehen ein Stück. Wir müssen heute Nacht noch ein paar wichtige Leute
sehen â und die Nacht ist nicht mehr besonders lang.«
Er wandte sich um und ging die Victoria Street hinab.
Lara holte ihn mit zwei langen Schritten ein und lief dann neben ihm her.
Hinter ihnen erhob sich eine Traube tiefschwarz
gefiederter Vögel aus dem Schatten der Schornsteine und Regenrinnen und folgte
ihnen in gebührendem Abstand.
»Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Lord Hester.
»Das siehst du auch so, oder?«
»Unbedingt!«, meinte Lara.
»Tja, Pech bloÃ, dass die
couragiertesten Bewohner von Ravinia entweder auÃer Gefecht sind oder auÃer
Reichweite. Roland Winter darf jedoch auf keinen Fall wieder nach Ravinia
gelangen, koste es, was es wolle. Also muss ich wohl oder übel selbst die
Geschicke in die Hand nehmen, so sehr es mir auch widerstrebt.«
»Aber sind Sie dafür nicht da?«, wollte Lara wissen.
»Ich meine, ist es nicht irgendwie Ihre Aufgabe, über Ravinia zu wachen?«
»Ah«, ging der Rabenlord darauf ein. »Genau das ist ja
das Problem. Natürlich habe ich eine gewisse Verantwortung der Stadt gegenüber.
Aber ich bin nicht der Despot von Ravinia. Würde ich mich als Alleinherrscher
aufspielen, würde mir die Macht, über die ich gebiete, ziemlich schnell wieder
entzogen werden.«
»Wer könnte Ihnen denn die Macht entziehen?«
»Jemand, der sie mir auch
zugeteilt hat, Lara«, antwortete der Lord knapp. Doch dann fügte er hinzu: »Ich
weiÃ, dass das eine unbefriedigende Antwort für jeden Bewohner Ravinias sein
muss, aber ich bin angehalten, dieses Geheimnis zu wahren. Ich weià jedoch,
dass du es eines Tages ohnehin erfahren wirst.«
»Ach, tatsächlich? Und woher bitte schön, wenn Sie mir nichts erzählen?«
»Sagen wir einfach, dass ich Pläne für die Zukunft
habe. Und diese Pläne werden ziemlich sicher dazu führen, dass du ein paar
Dinge erfährst. Aber nicht jetzt.«
»Super!«, lachte Lara sarkastisch auf. »Dann spielen
wir also wieder die alten Geheimniskrämerspielchen?«
Der Lord schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Die Dinge, die Baltasar dir
verschwiegen hat, hat er aus irgendeiner wirren Ãberzeugung für sich behalten.
Es war so etwas wie ein Spleen von ihm, alles für sich zu behalten. Ich
hingegen darf dir gewisse Dinge einfach gar nicht
erzählen. So einfach ist das.«
»Das kann man wohl laut sagen«, murmelte Lara.
»Tue ich ja gerade.«
Lara blickte hoch und sah, wie der Rabenlord ihr
verschmitzt zuzwinkerte.
»Ich weiÃ, wie schwer manche Dinge für dich sein müssen.«
»Was ist mit dem Stadtrat?«, fiel Lara
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