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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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ein.
    Â»Was soll mit ihm sein?«
    Â»Sie unterstützen doch wohl nicht den Stadtrat, diese
selbstgerechten Wichtigtuer?«
    Â»Hm«, machte Lord Hester. »Nein. Ich würde mich eher
als eine Art Diener der Stadt bezeichnen. Ich habe mit dem Stadtrat nicht viel
zu tun. Ich lasse ihn eigentlich walten, wie er es für richtig erachtet.«
    Â»Auch wenn die Ratsmitglieder Leute aus der Stadt vertreiben, deren Nasen ihnen nicht passen?«, empörte
sich Lara. Wie konnte Lord Hester die Dinge, die sie in Ma’Haraz’
nachtschwarzer Kugel gesehen hatte, einfach so tolerieren?
    Â»Das tun sie schon seit
einer ganzen Weile nicht mehr. Aber du hast recht, das soll keine
Entschuldigung sein. Dennoch, ich bin nicht dazu da, die Menschen von Ravinia
zu gängeln. Wenn sie sich ihre eigenen Machtapparate so erschaffen, wie sie es
mit dem Stadtrat getan haben, dann akzeptiere ich das. Würden sich die weniger
Gutgestellten von Ravinia gegen den Rat erheben und eine Revolution anzetteln,
wäre ich der Letzte, der sie aufhalten würde.«
    Â»Und was ist mit … Winter ?«
    Der Name kam ihr schwer über die Lippen.
    Â»Hat Roland Winter nicht auch versucht, die
vorherrschenden Verhältnisse in Ravinia auf den Kopf zu stellen?«
    Â»Ja, das hat er«, stimmte Lord Hester ihr zu. »Aber
Roland Winter hat es nicht getan, um offenkundige Missstände zu bereinigen,
geschweige denn um irgendjemandem etwas Gutes zu tun – außer sich selbst.
Winter war grausam und skrupellos. Er wäre ein mörderischer Tyrann geworden,
hätte man ihn gelassen.«
    Â»Sie hätten es also nicht zugelassen?«
    Lord Hester seufzte. Es klang bedeutungsschwer.
    Â»In letzter Instanz hätte ich wohl alles getan, was in
meiner Macht steht, um Roland Winter den
Griff nach den Sternen zu verweigern. Doch zuvor haben die Bewohner der
Stadt ihr Schicksal ja selbst in die Hand genommen. Teils aus lauteren, teils
aus eigennützigen Motiven heraus.«
    Â»Heißt das, Sie könnten Winter einfach so von der
Landkarte fegen, wenn Sie wollten?«
    Wieder blickte Lord Hester sie freundlich an, ja
beinahe schon amüsiert. Die vielen Fältchen, die sich im Laufe vieler Jahre um
seine Augen gebildet hatten, tanzten förmlich. Doch Lara sah deutlich die
Ernsthaftigkeit dahinter schimmern.
    Â»Wirke ich so? Wenn ja, dann sollten wir Winter und
seine Leute in diesem Glauben lassen.«
    Â»Sie können es also auch nicht …«
    Â»Liebe Lara«, gestand der Rabenlord ihr, »ich weiß
nicht ganz genau, wie stark Roland Winter tatsächlich ist. Ich weiß weder, was
er alles zu tun vermag, noch weiß ich, woher er seine Kräfte bezieht. Nach dem
zu urteilen, was ich gehört habe, muss er eine grässliche Magie mit seinen
Worten heraufbeschwören. Aber wie er das macht und wohin es führen kann, bleibt
mir weiterhin ein Rätsel.«
    Â»Nicht alles bleibt ein Rätsel. Eines haben wir doch
schon gelöst«, fiel Lara ein.
    Â»Gut«, ergänzte der Lord.
»Wir wissen – oder besser vermuten – nun, dass er die Sturmbringer durch diesen
ekelhaften Pakt mit den Tätowierungen an sich gebunden hat. Doch das macht ihn
nicht weniger furchterregend, sondern ist vielmehr Beweis für seine
Grausamkeit. Hat dir Kommissar Falter erzählt, wie er damals zu seinem Terrier
Spot gekommen ist?«
    Lara nickte. Ja, das hatte Falter erzählt und es war
keine schöne Geschichte.
    Â»Walter Gonzales ist damals lieber in den Tod
gegangen, als sich von Falter fassen zu lassen. Schrecklich, oder? Gonzales hat
sich in einem letzten Akt der Verzweiflung lieber selbst das Gedicht von der
Brust gebrannt, als zu schmerzhafter Untätigkeit in Dismas verdammt zu werden.«
    Wieder nur stummes Nicken von Laras Seite. Gütiger
Himmel, das waren so furchtbare Dinge. Und doch redeten sie darüber, als lösten
sie lediglich ein kompliziertes Puzzle.
    Lord Hester blieb stehen und zog einen Schlüssel an
einem hölzernen Anhänger aus einer seiner Manteltaschen. Genauso sorglos wie
Tom schloss er die nächstbeste Tür auf, ohne sich nach anderen Leuten
umzusehen, die das, was er tat, komisch finden könnten.
    Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, huschten einfach mir nichts, dir nichts zwei Dutzend
mitternachtsschwarzer Raben durch die Tür an einen Ort, den Lara erst erkennen
konnte, als die Raben hindurch waren. Sie trat durch die

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